Verschwörungstheorie als Travestie
August 31st, 2006Lesepröbchen aus dem 2. Kapitel.
Jeder Historiker fühlt sich von der plumpen Geschichtsmechanik abgestoßen, jeder Politologe von der Personalisierung, jeder Soziologe vor der Mißachtung der Mehrheit der Menschen, jeder Journalist von der lausigen Recherche – aber in dieser Reaktion spielen sie das Spiel mit. Konspirationisten wollen nicht den Fachleuten vorführen, daß sie ebenbürtige oder bessere Fachleute sind, sie suchen die Anerkennung über den Umweg des Publikums. Sie mögen alle Regeln brechen, die für die jeweilige Disziplin oder Profession gelten, aber das interessiert letztlich nur diejenigen, die den Regeln selbst unterworfen sind, nicht aber die fachfremden Leser, Fernsehzuschauer, Kinogänger und Veranstaltungsbesucher. Immer werden die meisten diese Regeln kaum kennen und mit großer Wahrscheinlichkeit vom konspirationistischen Budenzauber, von der Travestie aller ihrer Spielarten, in ihrem Urteil beeinflußt werden.
Der Konspirationismus versteht es, gesellschaftlich relevante Strukturen auf der Ebene ihrer Erscheinung in bestimmter Weise überoptimal nachzuahmen. Seine Protagonisten präsentieren – aus ihrer mehr oder weniger starken Außenseiterposition – oft schon von US-Konspirologen vorverdaute Informationen genau so, daß sie eine konsistentere Geschichte und ein perfekteres System ergeben, die wiederum als Ausrede für jedes persönliche Versagen herhalten kann. An diesen riesigen geschichtlichen Mächte gescheitert zu sein, verleiht noch jeder Niederlage einen heroischen Anklang, sorgt aber ziemlich sicher auch dafür, daß aus der Niederlage keine persönlichen Konsequenzen gezogen werden.
(mehr Entschwörungstheorie)
September 1st, 2006 at 10:05
Wirst Du eigentlich rechtzeitig zum 23C3 mit dem Werk fertig?
September 1st, 2006 at 11:47
Es ist sehr wahrscheinlich, daß ich das Buch vorher fertig geschrieben habe, aber nicht, daß es bis dahin veröffentlicht ist. Ich habe auch für den Kongreß andere Pläne, als dieses Thema noch mal aufzuwärmen – außer am Bücherstand natürlich.
Die Vortragseinreichungen sind eine “Critical Theory of Chaos” mit scrupeda zusammen und vermutlich ein Vortrag übers Hackersubjekt, für den ich auch noch jemanden suche. Das werde ich hier im Blog in den nächsten Tagen noch mal ansagen.
February 4th, 2008 at 14:36
[…] zu werden (selbstverständlich im Einklang mit dem enormen Offlinediskurs gleicher Tendenz). Die “Travestie” funktioniert auch im Internet klassisch, wenn einerseits Wojna “Loose Change” für eine […]