Die Illuminaten – Intention und Entstehung
August 24th, 2007Als Ergänzung zum “Absolutismus”-Kapitel der “Entschwörungstheorie” will ich in einer kleinen Artikelreihe überblicksartig den Geheimorden der Illuminaten behandeln, der Ende des 18. Jahrhunderts Gegenstand der ersten so bezeichneten “Verschwörungstheorie” war und über dessen heutige angebliche Vertreter etwa Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club sagt, sie würden “hinter dem 11. September stecken”. (seine Zitate in der letzten Ergänzung)
Vielen werden die Illuminaten aus der populären Literatur bekannt sein, im schlimmsten Fall aus Dan Browns “Illuminati”, im denkbar besten Fall aus der “Illuminatus!“-Trilogie von Robert Anton Wilson und Robert Shea, der nach meinem Dafürhalten bisher konsequentesten und intensivsten Umsetzung der diskordischen “Operation Mindfuck“.
Ich werde vorwiegend Zitate aus dem illuster besetzten, von Helmut Reinalter herausgegebenen Sammelband “Der Illuminatenorden (1776-1785/87). Ein politischer Geheimbund der Aufklärungszeit” von 1997 zitieren, nicht zuletzt wegen der in ihm enthaltenen Kontroverse über den illuminatischen Einfluß auf die Französische Revolution und die aufklärerische Bewegung in Deutschland.
Es soll wenig sinnvoll gewesen sein, Eulen ins antike Athen zu tragen. Wegen ihrer Fähigkeit, auch im Dunkeln zu sehen, wurden sie als Weisheitssymbol verehrt und zum Wappentier der Athene gemacht. Um so eher fand es Adam Weishaupt, Professor für Kirchenrecht an der bayrischen Landesuniversität Ingolstadt, angezeigt, aufklärerisches Licht in die Dunkelheit des europäischen Absolutismus zu bringen und wählte die Eule der Minerva zum Symbol des Ordens der Illuminaten, also der “Erleuchteten” oder einfach der “Aufgeklärten”, den er 1776 gründete.
Der Name erscheint in der Rückschau obskurer, als er es zu seiner Zeit war. Die Welt der europäischen Geheimgesellschaften war im Laufe des Jahrhunderts immer schillernder geworden. Die Sozialordnung der absoluten Monarchie erlaubte zwar Freiheit des Denkens, nicht jedoch der Versammlung und Assoziation. So trieb es praktisch jeden, der eine beliebige Veränderung anstrebte oder sich auch nur mit Gleichgesinnten treffen wollte, in einen der zahlreichen Orden, die wesentlich alle auf die 1717 in England institutionalisierten Free-Masons zurückgingen.
1737 waren daraus im deutschsprachigen Raum die Freimaurer hervorgegangen, welche sich ähnlich dem englischen Vorbild in recht drögen und banalen Treffen zumeist adeliger Freizeitpolitiker erschöpften. Erst um 1750 bildete sich aus diesem Milieu vor allem in Mitteleuropa die sogenannte Hochgradfreimaurerei, deren bekanntesten und einflußreichsten Orden die Strikte Observanz bildete. Von vielen Zeitgenossen wegen des konstruierten Rückbezugs auf den Orden der Tempelritter als “Rittertheater” verspottet, gewann die Strikte Observanz ihre Popularität gerade daraus, daß sie ihre Mitglieder zu Rittern aufwertete und mit ihrer komplexen Hierarchie kontinentalen Bedürfnissen mehr entsprach als die englische Freimaurerei.
Weishaupt tritt zur selben Zeit aus dem Jesuitenorden aus, als aus der Strikten Observanz Anfang der 1770er die von ihm als antiaufklärerisch eingeschätzten Rosenkreuzer hervorgehen, die wiederum zahlreiche Jesuiten für sich gewinnen können. Die Illuminaten werden von Anfang an als eine Gegenverschwörung zu dieser Verschwörung der Rosenkreuzer gegen die Aufklärung konzipiert. Im Versuch, seine Gegner auf ihrem eigenen Feld zu schlagen, nutzt Weishaupt das “zeitmodische Bedürfnis nach Geheimnis und geheimen Assoziationen” (Illuminatenorden: 21) und seine eigenen Erfahrungen aus dem Jesuitenorden, um mittels seines pro-aufklärerischen Ordens auf die Köpfe seiner Zeit einzuwirken. Weishaupt schrieb:
>>Diese Mittel sind geheime Weisheitsschulen, diese waren vor allzeit die Archive der Natur und der menschlichen Rechte, durch sie wird der Mensch von seinem Fall sich erholen, Fürsten und Nationen werden ohne Gewaltthätigkeit von der Erde verschwinden, das Menschengeschlecht wird dereinst eine Familie, und die Welt der Aufenthalt vernünftiger Menschen werden. Die Moral allein wird diese Veränderungen unmerkbar herbeyführen.<< (zit. nach Illuminatenorden: 281) Aus diesem Ansatz ergibt sich, wie Reinalter zusammenfaßt, "daß der Geheimbund der Illuminaten die gewaltsame Revolution ablehnte, da er die Herrschaft der Moral auf konspirativem Weg erreichen wollte, ohne den absolutistischen Staat revolutionär zu bedrohen. Er war daher Teil des aufgeklärten Absolutismus und nicht Opposition.” Während Weishaupt den Orden als eine autoritäre Diktatur entwirft, in der Fehler ganz modern zu Selbstkritik vor den Ordensbrüdern führen, geht er unter Berufung aufs Urchristentum davon aus, daß vernünftige Menschen sich dereinst in einer Art Heiligengemeinschaft organisieren würden.
Weltanschaulich steht Weishaupt dabei Rousseau sehr nahe, geht wie dieser von einem ursprünglich guten Menschen aus. Gewachsene Bedürfnisse hätten jedoch die Menschheit gespalten, nur eine umfassende sittliche Reinigung könne sie wieder versöhnen und zusammenführen. Diese intensive Verschränkung mit religiösen Moralvorstellungen bei gleichzeitiger aufklärerischer Kritik am Klerus äußert sich so, daß Weishaupt einerseits über Christen spottet, “die ihn für neuen Religionsstifter halten”, andererseits aber auch so tut, “als wäre er prochristlich.” (Illuminatenorden: 237)
Die später in Weishaupt hineingedeuteten anarchistischen und kommunistischen Ansätze liegen bei ihm nicht mehr vor als bei zahllosen anderen Vertretern der Aufklärung, die wie er einen religiösen Sozialismus, eine des Klerus entkleidete Herrschaft der Heiligen anstrebten. Weishaupts Verdienst besteht in der Bündelung aufklärerischen Gedankenguts und dem Begründen einer wirkungsvollen, letztlich jedoch gescheiterten Gegenmacht zu den starken antiaufklärerischen Kreisen seiner Zeit. Weder der zeitweilig enorme Einfluß des Ordens noch sein Scheitern sind jedoch Weishaupt zuzuschreiben.
Das spätere Bild von Weishaupt bestimmen zum einen das Wirken der Illuminaten nach seinem Rückzug, zum andern die ab Ende des 18. Jahrhunderts formulierte “Verschwörungstheorie”. Zu diesen beiden Punkten mehr in den folgenden Postings.
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Teil II: Ausbreitung und Krise
Teil III: Verbot und Radikalisierung
Teil IV: Arrivieren und Nachwirken
August 25th, 2007 at 01:05
Irgendwie schade, dass die Illuminaten nicht mal zur Gegenidentifikation taugen.
August 25th, 2007 at 01:08
Kommt drauf an für wen. Aber warten Se ersma ab.
August 25th, 2007 at 01:37
du kannst von mir halten was du willst, aber das ist es was ich an dir mag.
August 26th, 2007 at 01:31
kennst du das schon, hatte ich gestern als druckexemplar im post-briefkasten :
http://www4ger.dr-rath-foundation.org/PDF_FILES/wahr-2007-01.pdf
daher kommt das:
http://www4ger.dr-rath-foundation.org/
http://profit-over-life.org/
viel spass 🙂
August 26th, 2007 at 05:50
Wow, der wird auch immer besser. Aber in dem ideologischen Business muß man schon auch von Nazis verfolgt werden, sonst isses nichts.
August 26th, 2007 at 15:07
in dem weissen anzug sieht er aus wie ein zauberer
http://www.silentbetrayal.com/images/drrath.jpg
August 26th, 2007 at 15:19
Es gibt ja auch Verschwörungstheorien, in denen Dr. Rath von der Pharmaindustrie bezahlt wird, um ihre Gegner lächerlich zu machen und ein paar andere “unbequeme” Inhalte mitzuentsorgen.
August 26th, 2007 at 15:57
so wie hitler bezahlt wurde um deutschland zu …ähm …zersetzen …amerikanische ostküste und so. und der natiuonalsozialismus wurde auch diskreditiert.
August 27th, 2007 at 21:34
Also ich gebe Andy Müller-Maguhn recht in seiner auf dem 23C3 ausgesprochenen Einschätzung dass Robert Anton Wilson ein heimlicher Muslim ist (ob Sufi oder nicht sei mal dahingestellt). Und Dan Brown ist ein aus dem Ruder gelaufener Feldversuch des amerikanischen Geheimdienstes mit künstlicher Intelligenz (ob Kulla recht hat mit seiner Einschätzung was schlimmer ist sei ebenfalls mal dahingestellt).
Manche Muslime sagen, der letztere wäre schlimmer als Salman Rushdie, der eigentlich ganz vernünftig ist, andere glauben gar des ersteren Geschichte von der Haschisch-Verschwörung.
August 28th, 2007 at 13:28
Der wesentliche Unterschied: Wilson jonglierte mit Glaubensinhalten, um letztlich eine zutiefst agnostische Position zu popularisieren, während Brown nur einen Gegenglauben zum “herrschenden Geschichtsbild” oder zum katholischen Kanon aufbaut.
August 29th, 2007 at 16:54
Der eine ist eben von der Westküste, der andere von der Ostküste.
Matthias Rath wird m.E. an Dreistigkeit noch übertroffen von Gabriele Wittek, z.B.: Bush, wo ist Dein Bruder Saddam?
October 18th, 2007 at 11:00
Wenn sich die Entstehung des modernen Verschwörungsdenkens so sauber auf einen deutschen Ursprung zurückführen lässt, ist es eigentlich verwunderlich, dass sich nicht sämtliche Antideutschen auf das Thema stürzen…
June 9th, 2008 at 10:28
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