Betrifft Tibet, China, die Olympischen Spiele und alles

April 10th, 2008

Täglich erreichen mich Anfragen von Tibetfreunden und von mehr oder weniger harten Verteidigern der chinesischen Regierung, mich im aktuellen Konflikt jeweils auf ihre Seite zu schlagen (“Mach doch mal was zu…”) oder es wird gleich munter in die Kommentare gespammt, was aber an meinem feinen Filter scheitert.

Die Tibet-Fraktion(en) sehen mich wegen der letztjährigen Aktion vor der chinesischen Botschaft als natürlichen Verbündeten, als wäre es dazumal nicht vor allem um die verdrehte hiesige Wahrnehmung Chinas gegangen. Die prochinesischen Anfragen wiederum richten sich – wohl in Unkenntnis eben jener Aktion – an mich als vermeintlich guten, anständigen Kommunisten, der die bürgerliche Hetze wohl sicher nicht teilen wird.

So, wie es bisher aussieht, werde ich mich aus der Angelegenheit aber lieber raushalten, da ich ziemlich Gegenstandpunkt-mäßig keine Veranlassung sehe, mich hier in die Staatenkonkurrenz einzumischen. Weder mag ich mich vor den Karren von Leuten spannen lassen, die den Dalai Lama für zurechnungsfähig halten und China im Sound der französischen Regierung dazu auffordern, “die Gewalt gegen die Bevölkerung einzustellen” – Staatszweck, anyone? Noch halte ich die Selbstverständlichkeit dieses Staatszwecks für eine ausreichende Rechtfertigung jeglicher von den chinesischen Sicherheitsorganen praktizierter Schweinereien.

Dazu kommt, daß ich ehrlich unsicher bin, was genau eigentlich vorgefallen ist. Das spricht, entsprechend gewendet, auch wieder für beide Seiten, aus meiner Sicht eben für keine.

Wer diese Position für ignorant oder anderweitig doof hält, kann mich ruhig weiter mit Informationen und Texten versorgen. Aber bitte nicht ankumpeln.

31 Responses to “Betrifft Tibet, China, die Olympischen Spiele und alles”

  1. Says:

    Well put. Es ist wie immer eine Freude, über deine Stellungnahme zu stolpern.
    Chapeau.

  2. squiddle Says:

    Großartig, nachdem ich es neulich echt schwer hatte mit sonst geistig völlig Gesunden Menschen eine Diskussion zu führen die nicht “FREEEEEE TIBEEEET” als Eingangs-, Höhe- und Ausgangspunkt haben sollte, bin ich froh über jeden der auch der Meinung ist, dass aus unserer Sicht eine Meinung über Tibet/China/Olypia nicht wirklich bildbar ist. Das hat schon eher was mit Glaube zu tun.

  3. classless Says:

    Naja gut, für bildbar halte ich sie schon, aber nicht bei meiner Informationslage und eben auch nicht so eindeutig für diese oder die andere Seite.

  4. Verdammt nochmal, China! Says:

    Deutschland Lange Jahre hat die westliche Welt und insbesondere Deutschland zugesehen, wie China sich und seine Politik in der Welt präsentiert hat. Man hat gehofft, gebangt und gezittert. Doch wie sieht es nun wirklich aus in der großen Volksrepublik?
    Dies hat in der letzten Zeit insbesondere der China-Tibet Konflikt veranschaulicht, welcher zwar nicht erst seit geraumer Zeit existiert, sich aber dennoch im Zuge der Olympischen Spiele 2008 und der entstandenen Unruhen und Demonstrationen in der gesamten Welt verschärft und…

  5. Thomas Says:

    Ich halte es für eine grundsätzliche Prämisse von Zivilsation und Demokratie, daß jedes Land selbst über seine Unabhängigkeit von oder Zugehörigkeit zu einem anderen Land entscheiden darf. Wenn sich die Chinesen an aufständischen Tibetern stören, sollen sie sich eben einfach aus deren Heimat zurückziehen.

  6. saltzundessick Says:

    “…sollen sie sich eben einfach aus deren Heimat zurückziehen”
    thomas, bist du dumm.

    was dem antiimp der palaestinenser, ist dem hippie der tibeter. die landsmannschaften-argumentation ist fast deckungsgleich.

  7. Thomas Says:

    Welche Rechtfertigung gibt es denn aus deiner Sicht, ein anderes Land zu besetzen?

  8. saltzundessick Says:

    weisste, das ist mir im speziellen fall tibets ziemlich wurscht. wie classless ja bereits im artikel schrieb, den du hoffentlich gelesen hast, ist die wahl zwischen tibetischem klerikalfaschismus und chinesischer staatsrepression eine wahl zwischen pest und cholera. geschwafel von blut & boden, besatzern im fremden land und auslaender raus sind die standardargumente der free-tibet bewegung. darum muss man die einfach zum kotzen finden. ist jedenfalls bei mir eine art reflex.

  9. Thomas Says:

    Also, um das mal zusammenzufassen: Die Chinesen schicken ihre Truppen in ein unabhängiges Land, verleiben es ihrem Land ein, errichten auch hier ein diktatorisches Ein-Parteien-System und wer etwas dagegen sagt, ist auf einer Stufe mit “Ausländer raus” und “Blut und Boden”?

    OK, mein Fehler. Die oben genannte “grundsätzliche Prämisse von Zivilsation und Demokratie” ist wohl noch nicht überall angekommen…

  10. nonono Says:

    Oh ja, Thomas, du armes Opfer, wirst von der kommunistischen Hetzmeute niedergeschrien.

  11. nonono Says:

    Ach so, oder ist dein Tonfall der widerrechtlichen Besetzung Bayerns durch Preußen, Deutschland, Amerika, die Räterepublik, die Illuminaten, die Franzosen, Habsburg oder gar die Römer geschuldet?

  12. Thomas Says:

    widerrechtlichen Besetzung Bayerns

    Bayern ist nicht besetzt, auch nicht widerrechtlich und vor allem nicht von einer Diktatur, die ihr System auf uns übertragen hätten. Und wir haben demokratische Möglichkeiten, unseren Status zu ändern – im Gegensatz zu Tibet.

  13. godforgivesbigots Says:

    Also ich finde es schon bemerkenswert, dass aus Tibet überhaupt gar keine Berichte, Fotos, O-Töne, Videoclips usw. kommen. An Sprach- und Kulturbarrieren kann das doch bei dem Stand des Interesses von außen nicht liegen. Gibt es denn da drin niemanden, der mit Dateicontainerverschlüsselung und Steganographie umgehen und uns ein paar Nutzdaten zwischen den Raubkopien verstecken kann? Braucht Tibet erst technologische Entwicklungshilfe, um aus dieser Stammheimsituation rauszukommen?

    Die israelischen Bewegungslinken haben es doch auch geschafft, jede Nachrichtensperre ihrer Regierung zu unterlaufen und aufzuweichen, da muß doch was gehen.

  14. nonono Says:

    @Thomas
    Was ist dann mit dem Begriff „BRDigung“ auf eurer Seite gemeint? Und spekuliert ihr ernsthaft auf eine Sezession?

  15. Matthias Says:

    Du redest von Kommentarspam, spamst aber selber mit Trackbacks…

  16. classless Says:

    Stört mich ja auch nur, wenn’s mich stört. Trackbacks sind ‘ne schöne Sache (wie ja auch Kommentare), nur das Angekumpel und die Vereinnahmung nervt. Du kannst ja auch löschen, was dir nicht paßt. Wo ist das Problem?

  17. saltzundessick Says:

    ach thomas, du hast hier gar keine ‘demokratischen moeglichkeiten’, irgendeinen status zu aendern. bilde dir doch nicht so einen unfug ein.
    tibet war uebrigens noch nie ‘unabhaengig’ , was auch immer das sein soll. gehoerte immer zu china.

  18. Malai Esel Says:

    Lieber Thomas,

    ich bin vom Volk der Chuchoer, wir leben hier als Minderheit innerhalb der Minderheit der Tibeter auf einem Berg, von dem die Tibeter behaupten, es sei ihr Land. Dabei haben wir ihn gepflügt, bebaut, etc. Wann werden die Tibeter merken, dass man unabhängiges Land weder kaufen noch besetzen kann?

    Mit Unabhängigkeitsgrüßen,
    Malai Esel

    http://www.free-chuchoer.org
    (leider ist unsere Homepage gerade gekappt worden)

  19. Markus Says:

    @classless:
    “[…] unsicher bin, was genau eigentlich vorgefallen ist. Das spricht […]”
    Wäre nicht der einzig praktikable Umgang mit Zensur, Unklarheiten aufgrund fehlender Informationen dem Zensor zur Last zu legen? Selbst wenn es dann anders gewesen sein sollte, wäre das immerhin ein probates Mittel, diesem die Zensur unschmackhaft zu machen. Vielleicht fragwürdig von gewissem Standpunkt her, aber praktikabel wie nichts anderes.

    @saltzundessick:
    Jaja, und dieses Lebensraumding wird ja auch vielzuoft überbetont, dabei wollte Deutschland den unterentwickelten Ostgebieten vor allem den Fortschritt bringen. Und daß Russland eh immer nur von einem feudalen System in ein anderes übergegangen ist, ist ja auch bekannt.

  20. saltzundessick Says:

    ah, nazivergleiche. ich hab schon darauf gewartet.

  21. godforgivesbigots Says:

    nonono – Vielleicht spricht er vom Hafenlohrtal:

    Knapp 30 Jahre, nachdem sich die Prognose der Bayerischen Regierung, dass wir in Unterfranken einen Stausee für die Trinkwasserversorgung unserer Gemeinden brauchen würden, weil unser Grundwasser verseucht und zum anderen zu wenig wäre, als falsch erwiesen hat, 30 Jahre, in denen unsere Städte und Gemeinden Hunderte von Millionen Euro aufgewendet haben, um ihre Trinkwasserversorgung zu sanieren und krisensicher zu machen, jetzt sollte nun endlich Schluss gemacht werden mit der „Option“ auf einen Stausee im Spessart.*

  22. Bananenblatt Says:

    China, Tibet, Meinungsfreiheit…

    “Ich bin zwar nicht Ihrer Meinung (Herr Kulla), aber ich würde mein Leben geben, damit Sie sie sagen dürfen.” Leider ist den Tibetern (wie auch den “echten” Chinesen) dieses Privileg verwehrt. Darum geht’s gerade, um nic…

  23. Markus Says:

    @saltzundessick:
    Na das war ja zu erwarten, daß Deine Aufmerksamkeitsspanne nicht von 9:37am bis 2:46pm ausreicht, um zu merken, daß ich die Argumentlosigkeit Deines Nazi-Vergleiches (“Blut&Boden”) lediglich zurückgespiegelt habe. Ist ein super Trick, nur komischerweise nicht, wenn man selbst damit konfrontiert wird.

  24. godforgivesbigots Says:

    Die zentrale Frage ist immer noch offen, nämlich wie es in Tibet zu einer Umwälzung kommen kann bei der nicht der Lamaismus die Stelle der Maoideologie einnimmt. Aber wie es gelingen kann den Islamismus zu überwinden der in Persien an den Platz der Schahideologie gerückt ist ja auch.

  25. godforgivesbigots Says:

    An dieser Stelle ist es angebracht sich auf Marx rückzubesinnen:

    “Zur Erhaltung des alten Chinas war völlige Abschließung die Hauptbedingung. Da diese Abschließung nun durch England ihr gewaltsames Ende gefunden hat, muß der Zerfall so sicher erfolgen wie bei einer sorgsam in einem hermetisch verschlossenen Sarg aufbewahrten Mumie, sobald sie mit frischer Luft in Berührung kommt. Die Frage ist jetzt, nachdem England die Revolution über China gebracht hat, wie diese Revolution mit der Zeit auf England und – über England – auf Europa zurückwirken wird.”

    Nun ist es in der Zwischenzeit seit dieser Begegnung zu einer bemerkenswerten Verschiebungsleistung gekommen – dem Drogenkrieg:

    Was immer die sozialen Ursachen sein mögen, die zu den chronischen Aufständen in China in den letzten zehn Jahren geführt und die sich jetzt zu einer einzigen ungeheuren Revolution zusammengeballt haben, und welche religiösen, dynastischen oder nationalen Formen sie auch annehmen mögen: ausgelöst wurde dieser Ausbruch ohne Frage dadurch, daß die englischen Kanonen China das Rauschgift aufzwangen, das wir Opium nennen. Vor den britischen Waffen ging die Autorität der Mandschu-Dynastie in Scherben; das abergläubige Vertrauen in die Unvergänglichkeit des Reichs des Himmels brach zusammen; die barbarische hermetische Abschließung von der zivilisierten Welt wurde durchbrochen und eine Bresche geschlagen für den Verkehr, der sich inzwischen durch die Anziehungskraft des kalifornischen und australischen Goldes so rasch entwickelt hat. …

    Gleichzeitig ist hinsichtlich Indiens zu bemerken, daß die britischen Behörden in diesem Lande ein volles Siebentel ihrer Einkünfte aus dem Verkauf von Opium an die Chinesen herausholen müssen, während ein beträchtlicher Teil der indischen Nachfrage nach britischen Industriewaren von der Herstellung dieses Opiums in Indien abhängt. Die Chinesen werden allerdings ebensowenig auf den Opiumgenuß verzichten wie die Deutschen auf den Tabak. Da aber, wie verlautet, der neue Kaiser für den Mohnanbau und die Herstellung des Opiums in China selbst eintritt, ist auch klar, daß höchstwahrscheinlich dem Geschäft der Opiumgewinnung in Indien, den indischen Staatseinkünften und den kommerziellen Ressourcen Hindustans gleichzeitig der Todesstoß versetzt werden wird. Wenn auch für die interessierten Seiten dieser Schlag nicht sofort spürbar wäre, würde er sich doch zu gegebener Zeit nachhaltig auswirken und dazu beitragen, die allgemeine Finanzkrise zu vertiefen und zu verlängern, deren Horoskop wir oben gestellt haben.

    Erst hat der Drogenkrieg das Opium eingesetzt, um sich das alte China gefügig zu machen, nach dem Scheitern dieses Ansatzes versteifte man sich auf Prohibition als Mittel der Macht. Kein Wunder daß China bis heute niemandem im Rest der Welt traut. Würde ich auch nicht wenn ich eine Grenze zu Afghanistan hätte.

  26. godforgivesbigots Says:

    Das könnte vielleicht erklären wieso ein Vertreter einer erklärtermaßen atheistischen Partei, Zhang Qingli, einen ausgesprochenen Teufelsglauben vertritt.

  27. Free Tibet?? | blog gegen die arbeit Says:

    […] Es schreiben außerdem: Szeneputzen und Herr Kulla. […]

  28. hotactionnews Says:

    kritische Artikel zu Tibet

  29. godforgivesbigots Says:

    Bemerkenswert fand ich das Associated Press – Bild in der jungen Welt wo ein Tibeter einen Chinesen mit einem Schuh schlägt.

    Das kannte ich bis jetzt nur aus Bagdad: “Were you to beat your children, this would be done with a stick or the hand, but never shoes.”

    Wie es scheint, ist Tibet völlig demütigungsverwahrlost und deswegen kaum selbstorganisationsfähig. Das würde auch erklären warum es noch kein indymedia Tibet gibt.

    PS: Apropos indymedia – Antifa heißt anfassen!

  30. Vlaic Says:

    Beachtlich ist ja die Propagandaflut, die parallel über ein jeden schwapt. Allein deshalb hab ich mich auf keiner “Seite” gestellt. Egal, welche Begründung man führen sollte, sie ist falsch. Man kann aus diesen Konflikt und den Begleitinformtaionen keine fundierte Meinung bilden. Da muss man offen kapitulieren.
    Klar ständig will jemand von einem, das man eine Seite beitretet, aber das muss man nicht. Und es muss auch nicht als schwäche gelten, wenn man mal keine Meinung hat oder eine 3.

  31. classless Kulla » Blog Archive » Dalai Lama und chinesische Studenten aus nächster Nähe Says:

    […] meinem bisher einzigen Statement zur China-Tibet-Problematik versuchte ich, Äquidistanz zu wahren, wie das in offiziellen Texten genannt wird. Gestern schlug […]

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