Alle Sinne

November 28th, 2006

Wenn last.fm am Dienstag abend noch die Liste von vorletzter Woche zeigt, kann ich ebenso erst heute die Schönheiten der letzten Woche resümieren.

Als die Liebste daheim in Löhrbach mit Thanksgiving-Truthahn beköstigt wurde, wurde ich der Arbeit wegen Hiergebliebener von Ingo im Club mit einer sehr carnalen Pastasauce verwöhnt.

Schinken con carne
(Nicht-Allesesser vielleicht lieber nicht zum Vergrößern draufklicken – you most probably won’t like what you’ll see)

Später am selben Abend stellten wir im Eschschloraque fest, daß Mate mit Martini die Deluxeversion von Gin Tonic ist.

Das war jedoch noch nichts im Vergleich zum Sonntag, an dem mich wiederum Ingo zunächst zu einer psychoaktiven Reise nach Sanssouci einlud.

Sorgenfrei

Dabei gewonnene Erkenntnisse: Ärger provozieren ist was für Leute, die keinen Ärger haben. Grundformel der postmodernen Verschwörungstheorie: Der Feind ist irgendwo da draußen. Ingo sollte IT-Manuals als Hörbucher einlesen. Kakifrüchte (auch Sharon-Früchte) sind sowas wie Allfruit. God wrote in LISP Code. I’m gonna code you something that you really love cuz I like you and I like you and I feel so Discordian like you. Ach, ist der Rasen schön grün.

Sorgenfrei

Als sich der Nebel wieder etwas verzogen hatte und wir im “Klosterkeller” drei Speisen hatten rotieren lassen, war es Zeit für den Hauptact der Woche: Eugen Gabowitsch stellte sein neues russisches Buch vor, damit wir des Russischen nur mäßig bis gar nicht Mächtigen auch mal wüßten, was er eigentlich beständig schreibt.

Vorgeschichte hinterfragt

Trotz des wie meist sehr fragmentarischen Vortrags war es once again großartig. Gabowitsch ging auf Geschichte als menschliche Tätigkeit ein, die die Vergangenheit betrifft und sprach sich für eine Vergangenheitslehre aus (wie würde die auf Latein heißen?) In seiner Beschreibung der historiographischen Praxis der willkürlichen Setzung (“Hauptsache, man behauptet es”) taten sich Parallelen zur Kritischen Theorie des Verschwörungsdenkens bei Roth und Sokolowsky auf. Seine Ausführungen über Paradigmenwechsel und Katastrophentheorie wiederum klangen sehr nach Wilsons Darstellung in der “Neuen Inquisition”.

In seinem Buch verwendet Gabowitsch zahlreiche der von Galletti aufgezeichneten Historikeraussprüche als Überschriften, etwa “Wieviel Jahrhunderte vor Christus wurde Afrika erbaut?” Das erinnert mich an die Google-Anfragen, die mein Blog erreichen.

Überhaupt, die Selbstdistnaz und der Humor. Den vorgeblich kritischen Umgang der modernen Epochen mit der jeweils gerade voraufgegangenen Geschichtsauffassung verglich Gabowitsch mit den ersten Schau-Eisenbahnen, die im Kreis herumfuhren und das Publikum mit immer neuen Kulissen zu reizen versuchten. Eine andere Repräsentation des Geschichtsbildes war eine Seekarte mit Seeungeheuern. Den neuen Gesichtern im Publikum empfahl er, sich zur ersten Annäherung ans Thema die spöttischen Beiträge eines Historikers im Internetforum vom jesus1053.com anzuschauen.

Eugen Gabowitsch

Er riß seine Überlegungen dazu an, inwiefern das europäische Geschichtsverständnis außerhalb von Europa überhaupt entwickelt wurde. Mündliche Überlieferung erzeugt eher eine kürzere Geschichte über Fertigkeiten und Bräuche, während Schriftkultur eine längere Geschichte über Ereignisse und vor allem Gewalttaten hervorbringt.

Auch die Ausflüge in den Katastrophismus fand ich viel plausibler als bisher, da er verschiedene wissenschaftliche Konzepte über verschiedene Katastrophen – etwa Vollmers Ansatz, der eine Sintflut als Eintreten kosmischer Gaswolken in die Erdatmosphäre beschreibt – modellhaft vorstellte, statt wie die meisten Katastrophisten hauptsächlich auf der Realität der biblischen Katastrophen zu bestehen.

Immer wieder solche Fundstücke: Ein kasachisches Buch über “Die großen Türken” präsentiert Attila als zweiten großen Türken. Peter der Große schickte eine Expedition, um einen Landweg zum Kaukasus zu finden, da er zwischen russischem Kernland und Kaukasus ein Meer lokalisierte. Und immer wieder diese Kleinigkeiten: Lüling arbeitete mit der traditionellen Chronologie, er hatte also viel Zeit…

Eugen Gabowitsch

Am 4. Dezember wird Ulrich Voigt im Neuen Berliner Geschichtssalon (Sahara City, Ottostr. 19, 19 Uhr) zur Kritik der Chronologiekritik vortragen. Ob ich es dorthin schaffe, weiß ich noch nicht, auf jeden Fall schaffe ich es wohl nicht oder viel zu spät zu Tine Wagner, was mich etwas ärgert:

Hupen im Tunnel

3 Responses to “Alle Sinne”

  1. A Says:

    Wird “Discordian Like You” jetzt die nächste Vermashung mit Torsun oder was? Muß Kongreß beschallen!!!

  2. kapsler hauser Says:

    so wie es bei mir aussieht, finde ich vor der anstehenden tour leider keine zeit für solche dinge. nach der tour kann man das gerne machen, auch wenn dann leider der kongress schon vorbei ist.

    bestes,
    torsun

  3. classless Says:

    Das sollten eh die Hacker selber machen, finde ich.

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