Tanzt doch!

January 25th, 2007

Ich sehe sie schon vor mir stehen, die G8-Touristen und Partydiskutanten, die in den nächsten Monaten auf mich einreden werden, sie würden sich ja engagieren, sie würden ja was tun und nicht nur immer rummeckern und alles verkopft kaputtdenken wie die incl. vermutlich mir. Und ehe mir dann wie immer nichts einfallen wird, um freundlich zu sagen, daß ich mich gern assoziiert habe, wann immer ich mir einreden konnte, daß es sinnvoll sei und daß sich an dieser grundsätzlichen Bereitschaft nichts geändert hat, daß lediglich meine Lageeinschätzung immer noch nicht enthusiastischer ausfällt, nicht zuletzt wegen der Erfahrungen mit der Kritikresistenz der sich zum Assoziieren Anbietenden – ehe das dann wieder dauernd so ist, sei hier schon mal stellvertretend das Elaborat der »No-G 8-Gruppe Kiel« vorgeführt, diese Woche ebenfalls in der Jungle World:

>>Mit einer Portion Selbstbewusstsein und etwas Organisation kann der G 8-Gipfel nicht nur zu einem riesigen Spaß mit großartigen Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung werden, sondern sich obendrein als ausgezeichnete Gelegenheit erweisen, um die Kritik an den abstrakten Herrschaftsmechanismen an deren konkreten Symbolen konkret werden zu lassen.<< Da könnte man eigentlich schon aufhören zu lesen, und es geht auch genauso weiter: >>Warum nicht die Verhältnisse mal kräftig zum Tanzen bringen?<< Dazu müßte man ihnen aber wie Burroughs mit dem Taperecorder ihre eigene Melodie vorspielen und nicht hauptsächlich selbst zu den immerselben Trommeln, nun ja, wippen. Aber das ist ja wenigstens Bewegung und eben nicht wie: >>…der Beitrag von Weiland exem­plarisch für eine Kritik an den Aktionen gegen die G 8, die von geistigem Snobismus erfüllt ist. Selbstredend gehört zu diesem Geist ein voller Bauch. Und eine Geisteshaltung, die sich durch irgendwelche vermeint­lichen Einsichten in Notwendigkeiten einen Distinktionsgewinn zu verschaffen sucht. Dass diese »Kritiker« je zum Kämpfen kommen werden, ist nicht zu erwarten, glauben sie doch, dass »nur jene Einsicht in die Herrschaft der Dinge über die Menschen gewinnen können, die nicht unmittelbar Menschen angreifen«.<< Und da würde ich dann wieder stehen und denken, hm, ich gewaltloser Spießer, ich glaube nicht, daß es mehr als Adrenalinausschüttung bringt, mich mit Cops rumzuhauen, und gegen die um Heiligendamm ja schon qua Residenz anzutreffenden Nazis scheint niemand anzutreten. Und kollektive Gewalt als emanzipatorische Erfahrung? Aber gegen wen? Und wozu? Und überhaupt. (Hier müßte jetzt als Pointe eine Abbildung des NoMeansNo-T-Shirts hin, auf dem steht: STAY HOME, READ A BOOK) P.S. Insgesamt war die Jungle trotzdem diese Woche gar nicht übel.

7 Responses to “Tanzt doch!”

  1. dresden was a gas! Says:

    Nazis werden toleriert?
    Mmh, neee.
    Natürlich gibt es Kritikpunkte an der globalisierungskritischen Bewegung.
    Trotzdem:
    G8 versenken, Herrschaft versenken.

    Zu Hause bleiben und lesen ist gut, aber vielleicht sollte Herr Kulla selber mal in Heiligdamm vorbeischauen und die ganzen Vorurteile über den Anti-G8 Protest begraben.

    nie wieder deutschland!

  2. nonono Says:

    @dresden was a gas!
    Stimmt doch, dass über die Nazis kaum gesprochen wird – ausser Gepose wie heute in der Berliner Morgenpost, dass die wohl schon nicht auftauchen würden, weil sie dazu lebensmüde sein müssten.

    Und du kannst mir gern mal erklären, wie genau ihr die G8 versenken wollt und was ihr euch davon versprecht.

  3. Hans Says:

    @nonono
    Meinst du das hier?
    “Wir werden mit aller Kraft verhindern, dass sich Neonazis unseren Aktivitäten anschließen”, sagte Frauke Distelrath, Sprecherin des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. “Die wären lebensmüde, wenn sie kämen.”
    http://www.morgenpost.de/content/2007/01/25/politik/878834.html

    Klingt für mich auch nicht gerade nach Antifa heißt Angriff. Allein diese Gewissheit, dass die Nazis ohne weiteres zu identifizieren seien, wenn sie mit Kapuzenpullis ihr Motto “G8 rocken” skandieren…

  4. tee Says:

    antifa heisst immer noch ausschlafen!
    nur manche sind einfach zu verpeilt und andere suchen sich ausreden.

    in diesem sinne:
    stay home, make communism!

  5. Markus Says:

    Das ist eine alte Frage, was solche Aktionen bringen. Der Punkt ist aber, daß man das vorher einfach nicht genau vorhersagen kann. Erst hinterher kann man das feststellen und möglicherweise auch noch nicht mal das. Da gibt es so eine Theorie dazu, deren Name mir gerade nicht einfällt, aber es geht darum, daß man nie das erreicht, was man eigentlich erreichen wollte, da es zu viele und zu komplexe Einflüsse gibt. Aber mit etwas Glück erreicht man irgendwas ähnliches. Das birgt natürlich Risiken, aber viele Leute sehen das eben dennoch als besser an, als gar keinen Einfluß zu nehmen. Ich bin mir sicher, die Proteste von Seattle *hatten* Auswirkungen, auch wenn man die nicht trennscharf ausmachen kann.

    Wenn Nazis als Nazis zu erkennen sind, kriegen sie eins aufs Maul, wenn Nazis nicht als Nazis zu erkennen sind, dann kann man nichts machen. Vermutlich ist schon x-mal ein nicht als Nazi zu erkennder Nazi im selben S-Bahn Wagen wie man selbst mitgefahren. Sinnlos, deswegen schlaflose Nächte zu haben. Wenn Nazis allerdings als Nazis auftreten können, gibt es mehr als ein virtuelles Problem.

  6. fresse halten, selber machen Says:

    Scharfe Abgrenzung zu Nazis wurden von allen größeren, am Widerstand gegen den G8-Gipfel beteiligten Gruppen, bekannt. Siehe irgendwo hier:www.g8-2007.de (“Für ohne Nazis”).

    Dass Nazis “getarnt” auftauchen, ist nicht vorhersehbar, aber unrealistisch.
    Bringt denen nix, sondern stärkt nur die Gegner.
    Ein eigens nationaler Block ist total unrealistisch, da dieser nicht lange überstehen würde.

    Es gibt natürlich viel zu kritisieren an der globalisierungskritischen Bewegung.
    Aber das meiste basiert auf Vorurteilen. Kommt vorbei, macht mit, verbessert 😉

    Warum der G8 Gipfel?
    Nicht, weil dieser nicht legitim wäre oder weil wir denken, dass die Welt ohne diese 8 Repräsentanten besser wäre. Es geht ums ganze. Und um Herrschaft zu kritisieren, bietet sich ein Event, das viel mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht, sehr an. Das ist alles.

    Herrschaft ist keine Verschwörung von wenigen. Aber trotzdem scheiße.

  7. nonono Says:

    Beim ersten hieß es “Natürlich gibt es Kritikpunkte an der globalisierungskritischen Bewegung. Trotzdem…”

    Jetzt noch mal: “Es gibt natürlich viel zu kritisieren an der globalisierungskritischen Bewegung. Aber…” Und deshalb heißt die Parole auch “Fresse halten”. Denn mehr als dieses Parteisprech von wegen “Genossen, wir können ja über alles reden” kommt nicht, z.B. ein Eingehen auf die vorgebrachte Kritik.

    Das mit den Nazis war doch gar nicht der Hauptpunkt. Die Frage ist vielmehr, wie ich gegen ein System, das von allgemeiner Beteiligung lebt, an einer Stelle protestieren oder aufwiegeln will, wo all die vielen Beteiligten die Verantwortung auf wenige schieben. Das wird immer nur wieder dialektisch damit erklärt, dass es gerade der Event sei, der sich anbietet oder gerade das Treffen der konkreten “Akteure”, an dem sich das Abstrakte konkret zeigt. Tut es aber nicht. Dass alle Kapitalismus spielen, wird dort nicht zu sehen sein, sondern, dass ganz viele einigen vorwerfen, Kapitalismus zu spielen.

    Oder etwa nicht? Bzw. was wollt ihr tun, damit dieses Bild nicht entsteht? Hofft ihr, dass es schon klappen wird, wenn bloß keiner meckert?

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