Klassenkampf bei Buffy The Vampire Slayer
May 18th, 2007Über die Entwicklung vom einzelnen, blutsaugenden Adeligen zum marodierenden, ansteckenden Unterklassen-Mob in Horrorbüchern und -filmen habe ich mich in meinem Text “Sie sind unter uns” schon einmal geäußert. In ihrer Frontstellung gegen beide Feindbilder, gegen blutigen Anfang und drohendes Ende der bürgerlichen Gesellschaft, gegen adelige und faschistische Reaktion ist allerdings Buffy, die ich mir – auch angeregt durch die ständigen Verweise bei USA erklärt – endlich mal zusammenhängend zu Gemüte führe, eine besonders kondensierte und konsequente Vertreterin dieses gewalttätigen Selbstverständnisses.
Nach der ersten Staffel fühle ich mich zu ein paar Zwischenbemerkungen veranlaßt, auch weil ich selbst gespannt bin, wie sich das im weiteren Verlauf noch ändern wird. Ich bitte, diesbezüglich mit Spoilern in den Kommentaren vorsichtig umzugehen.
Die bürgerliche Gesellschaft wird in sich zwar alles andere als konfliktfrei dargestellt, jedoch verblassen die Probleme der Konkurrenz und Leistung gegenüber den üblen Bedrohungen aus der Vergangenheit und der apokalyptischen Zukunft, das heißt hier: aus den alten und niederen Klassen. Wer von den anderen konsequent ignoriert wird, mutiert zum unsichtbaren oder auch zum sichtbaren Geist, wird aus der Gesellschaft ausgelagert. Läßt sich der Fluch nicht brechen oder neutralisieren, muß die Bedrohung für die Gesellschaft eliminiert werden, wobei der eigentliche Tötungsakt zwar meist nach einem Kampf erfolgt, dann aber fast steril mit der Auflösung des Gegners endet.
Parallel habe ich mir noch mal filmische Verarbeitungen der französischen Revolution angesehen, etwa Darstellungen von Napoleons innenpolitischen Kampagnen zur Niederschlagung der Royalisten. Hier ist zu besichtigen, wie die Gewißheit, das vorbürgerliche Prinzip austilgen zu müssen, in die als cool inszenierte Abschlachtung der “blutsaugenden” Adligen und ihrer “willenlosen Geschöpfe” mündet. Schwer zu sagen, wie stark Napoleon The Vampire Slayer dann Vorbild für die weiteren Mord- und Bestrafungsaktionen war, die die bürgerliche Gesellschaft von den Gestrigen, den Armen und den Kranken zu befreien suchten, damit die Konkurrenz der Leistungsfähigen und -bereiten nicht durch Mogler und Klötze am Bein gebremst werden würde.
Neben dem vielen unglaublich Komischen und Aufregenden, das sich nach zehn Jahren immer noch hübsch anschaut, haben es einige Folgen definitiv geschafft, eine Ahnung davon zu erzeugen, wie die Liebesromantik des späten 18. Jahrhunderts auf ihr Publikum gewirkt haben muß. Praktisch klassenübergreifend verliebt sich die Vampirjägerin in einen Vampir, die wandelnde Guillotine in einen adligen Klassendeserteur, der zwar das feudale Verlangen nach Blut verspürt, wegen seiner Empfindungsfähigkeit jedoch darunter leidet und Blutkonserven bevorzugt. Das ist neben X-Files und dem Lebenswerk von David E. Kelley der schönste und süßeste Kitsch, den ich kenne.
May 18th, 2007 at 17:32
Schön, dass es dir trotzdem gefällt!
May 18th, 2007 at 18:35
Na, was du so zu Buffy schreibst, erscheint mir einleuchtend, wenn du auch in den kommenden Staffeln noch ein paar Überraschungen erleben wirst. Die Verteidigung der bürgerlichen Existenz jedenfalls steht erkennbar im Znetrum dieser Serie (allerdings, wie mensch in Staffel 6 sehen wird, zuweilen auch ihr notwendiges und sogar erhellendes Scheitern).
Dem mit den Zombiefilmen kann ich mich so allerdings nicht anschließen: Bei Shaun of the Dead magst du Recht haben, schon lustig, aber nicht unbedingt sympathisch. Aber hast du dir denn auch “Night of the Loving Dead”, “Dawn of the Dead” und “Day of the Dead” von Romero angesehen? Da wird durchaus kritisches Bewusstsein über die Auslöschungs- und Ansteckungsphantasien der Zombie-Mythologie deutlich.
May 18th, 2007 at 19:50
Das schrieb ich zu “Land of the dead”:
“This might be our fucking future, und andere werden darin besser zurechtkommen als ich.”
http://classless.myblog.de/classless/art/2008370
May 19th, 2007 at 13:00
Naja, “Land of the Dead” ist auch definitiv ein Verfallsprodukt von Romeros Zombie-Saga.
Ich würde jetzt gerne mit meinem ausführlicheren Text für’s Thema kontern, den kann ich aber nicht online stellen, weil der schon anderweitig versprochen ist … Aber ich will mal die These dagegenhalten, dass die Zombies in “Night” bis “Day” nicht für irgendwelche “gefährlichen Klassen” stehen, sondern auf ein allgemeines Verhältnis der De-humanisierung verweisen, das auch die noch Lebenden betrifft (und sie tendenziell mit den Zombies “verwechselbar” macht).
In “Night” ist übrigens auch deutlich erkennbar, dass das reale “Vorbild” der Zombiehorden in dem Fall – wenn überhaupt – weniger der “auszulöschende Andere” ist, sondern der rassistische Lynchmob.
Nix gegen deine Shaun- und Land-Kritik, aber über das gesamte Genre solltest du doch nicht urteilen, ohne dich mit seinen drei zentralen Werken zu beschäftigen.
May 19th, 2007 at 13:42
Okay, das war mißverständlich, ich hatte nicht vor, über sämtliche dieser Filme zu urteilen.
Dennoch würde ich an dem Gedanken festhalten, daß in der De-Humanisierung die Angst vorm sozialen Abstieg in die Überflüssigen-Klasse steckt und im Bild des Lynchmobs diese Klasse karikiert wird.
Ich werde mir aber gerade die anderen Romero-Filme mit deinem Einwand im Hinterkopf anschauen. Und mich weiter in die nächsten Buffy-Staffeln vorarbeiten. Lassen wir uns überraschen.
May 20th, 2007 at 11:59
super! Meine Mission der Zombifizierung trägt Früchte …
September 12th, 2007 at 19:51
[…] schon kampagnenartigen Schauens bin ich mit meiner Buffy-Retrospektive noch nicht weiter als bis zur Mitte der 5. Staffel vorgedrungen, was auch daran liegt, daß jetzt […]
September 25th, 2007 at 02:32
[…] mußte ich schon fünf Staffeln Buffy und zwei Staffeln Angel durchschauen, um nach all der Verteidigung des Bürgerlichen gegen die feudalen Dämonen und nach verschiedenen Aufständen gegen Sklavenhalter und Bürgertum nun im Season Final der […]
August 6th, 2012 at 13:19
[…] Das soll euch Kulla sagen. […]
August 26th, 2012 at 04:07
[…] sollte er/sie die Serie noch nicht angeschaut haben (was dringend nachzuholen ist). Wie Kulla im Fazit über Season 1 schreibt, wird die „bürgerliche Gesellschaft […] in sich zwar alles andere als […]