Querfront und Distinktion selbst gemacht

August 1st, 2007

Während ich Wojnas Verschwörungskolportage “Selbst gemacht” vor allem hier verlinkte und kommentierte, um typisches Anschauungsmaterial für die Verbreitung eines konspirationistischen, das heißt geschlossenen und ideologischen, Verschwörungsdiskurses in linke Zusammenhänge vorzustellen, scheinen nun auch andere anläßlich dieses Videos Position zum Komplex Verschwörungstheorien zu beziehen.

Die “Antidemokratische Aktion” kritisiert zurecht den Beitrag eines Blogs aus dem Umfeld der Grünen Jugend dafür, Wojna vor allem Konsensverletzung vorzuwerfen. (Vorher hatte die AA allerdings gemeint, ich würde Wojna eine “Psychomacke” anhängen, da ich geschrieben hatte, er würde Material liefern als läge er auf der Couch.)

Bei den Nazis ist das Video auf umfassende Zustimmung gestoßen, ich verweise hier per tinyurl auf ein Portal und ein Forum, in dem die Gelegenheit genutzt wird, die bisher geringe Akzeptanz von HipHop in der Naziszene zu bejammern. (Hier wird lustigerweise von “vermeintlichen Antisemitismusvorwürfen” gesprochen…)

Wenig überraschend freuen sich die “Humanwirtschaftler” über die “provokante Frage”, die im Songrefrain gestellt wird. Auch beim “Parteibuch” heißt es: “Fragen wird man ja wohl noch dürfen.”

Weiter drin im Verschwörungsdiskurs wird dem “Arbeitskreis Dialoge“, der mit einem schnellgeschossenen Papier (pdf) einen Auftritt der “Bandbreite” verhindern wollte, dann schon vorgeworfen, daß man zu faul dazu sei, Google zu benutzen: “[Pearl Harbor] 1000 fach bewiesen, mann muss sich nur auf seinen Arsch setzten und ein wenig googeln und schon hat man zig Beweise dafür…” Beziehungsweise: “Erst googlen, dann schreiben. Dann wären es rationale Argumente gewesen.” So einfach ist die Welt. (Die Nazis möchten dem Arbeitskreis seinen Namen aberkennen. Überhaupt gehört es mittlerweile zur allgemeinen Kolportage dazu, sich auf diesen kleinen Arbeitskreis einzuschießen und ihm absurde Einflußmöglichkeiten zuzuschreiben.)

Nicht zum ersten Mal lötet aber niemand die Diskurse so unerschrocken zusammen wie das Politblog, wo der Songtext zu “Selbst gemacht” mit stolzen Verweisen auf die entsprechenden eigenen Postings dekoriert wird. In der Diskussion werden diejenigen, die 9/11 nicht für eine Regierungsverschwörung halten, in die Nähe von Holocaustleugnern gerückt. (Dort hat difficultiseasy länger durchgehalten als ich.)

Wojna hat unterdessen versucht, die ihn verlinkenden Naziseiten abzumahnen und versichert, auch die Quellen, die ihm von “Skeptikern” zugesandt wurden, anzuschauen. Außerdem hat er seine gesammelten Quellen in seinem Blog ausgebreitet. Vielleicht sollte ich meine These, den größten Teil der Verbreitung konspirationistischer Inhalte würden nach wie vor Bücher und Staatspropaganda ausmachen, noch mal überdenken. Zumindest 9/11 selbst scheint mittlerweile auch ohne umfangreichere Begründungen im konspirationistischen Sinn interpretiert zu werden (selbstverständlich im Einklang mit dem enormen Offlinediskurs gleicher Tendenz). Die “Travestie” funktioniert auch im Internet klassisch, wenn einerseits Wojna “Loose Change” für eine durchweg glaubwürdige Dokumentation hält und andererseits Fans von Wojnas Video ihn für “gut informiert” halten.

12 Responses to “Querfront und Distinktion selbst gemacht”

  1. Endi Says:

    nette zusammenfassung. vielen dank. die politblogdiskussion ist tatsächlich unglaublich und es spricht bände wieviele offensichtliche nazipostings da stehen gelassen werden.

    und wenn der schlechte rapper alles glaubt was nur irgendwie “audiovisuell” zugänglich ist, sollte man ihm vielleicht mal einen link zu “srew lose change” schicken.

    aber (achtung verschwörungstheorie): alles nur masche um ne schlechte hinterstüblein rapcombo ins gespräch zu bringen. hat gut funktioniert.

    viele grüße
    endi

  2. classless Says:

    Für den Augenblick mögen Gegenüberzeugungsstrategien verführerisch erscheinen, viel besser wäre jedoch, die Sache mit dem Glauben selbst ins Visier zu nehmen.

    Wenn sie das nur kalkuliert hätten, wäre es überhaupt nicht so schlimm. Aber der ganze – wie Hannes Gießler das nennt – “ideologische Gebrauchswert”, der da am Tauschwert leider noch mit dranbaumelt…

  3. noergel Says:

    bin da gestern auch zufällig drüber gestolpert. der arbeitskreis dialoge hat sich da aber auch echt ein Ei gelegt. wie sie auf den antisemitismusvorwurf komemn ist mir zwar klar, aber für nicht zur radikalen Linken gehörende Menschen dürfte das wohl eher absurd sein, oder?
    für die “audiovisuellen” Freunde empfehle ich das hier, die reaktionen der Jungs sind teilweise wirklich witzig: http://youtube.com/results?search_query=loose+change+popular+mechanics&search=Search
    hab mir dann gestern auch “loose change 2” (was auch immer der unterschied zum 1. Teil ist????) angesehen. Ich fand diese Art von Journalismus eigentlich sehr spannend. Also das die Autoren scheinbar gar nicht im “reallife” recherchiert haben, sondern ausschließlich im Fernsehen und Internet. Die Informationen sind jeglicher Autorität beraupt.
    Ich frage mich aber wirklich, wie mensch gegen so eine Art der Meinungsmache agieren kann. Findet mensch sowas in deinen Büchern? 😀

  4. classless Says:

    Die “Entschwörungstheorie” wird zwar oft für eine Art Anleitung gehalten, ist aber für mich vor allem der Versuch, das Thema überhaupt in eine debattenfähige Form zu bringen, es also jenseits von pauschalem Bashing und kolportierendem Abfeiern zu verhandeln.

    Ich hoffe dabei gezeigt zu haben, daß Verschwörungsideologie mit dem Alltagsbewußtsein viel enger verwandt ist, als das zumeist eingeräumt wird, und daß sie auf die Anmaßung bestehender und problematischer gesellschaftlicher Autoritäten wie wissenschaftlichem “Expertentum” aufbaut. Es ginge also immer darum, wissenschaftliche Methode und nicht den Wissenschaftsbetrieb gegen Konspirationisten zu verteidigen, die Vergangenheit und nicht die Geschichte, den sozialen Prozeß und nicht die personalisierte Politik.

    Das ist aber alles so mühsam, wie politische Auseinandersetzung es leider meist ist.

  5. noergel Says:

    das sollte kein zynischer kommentar sein oder so, ich kenne deine bücher nicht. aber danke für die antwort

  6. classless Says:

    So hab ich’s auch nicht verstanden. Allet schick.

  7. godforgivesbigots Says:

    Dieses Argument aus einem der verlinkten Postings hat mir gefallen:

    Was ich mich da nur immer wieder frage: wenn die amerikanische Regierung wirklich einen so ausgeklügelten Plan in die Tat umgesetz hat (das World Trade Center in die Luft zu sprengen, Akten zu vernichten, Filmaufnahmen zu fälschen, Presseinfos zu verunstalten, das Pentagon in die Luft zu sprengen usw. usw.), warum hat die gleiche US Regierung es dann nicht geschafft im Irak eine Kiste mit der Aufschrift “Mass Destruction Weapons” zu verstecken??? Der Irak Feldzug ist gründlich in die Hose gegangen, es wurden keine Massenvernichtungswaffen die als Legitimation gedient hatten gefunden. Wenn Bush und CO. aber einen so exzellenten Masterplan wie die Vernichtung des World Trade Centers geschafft haben sollen, wieso konnten sie dann nicht irgendwo Massenvernichtungswaffen auftreiben???

    Die haben noch mehr Probleme, obwohl er wahrscheinlich schon nicht mehr unter uns ist (letztes Video ein neuer Ausschnitt aus einer Aufnahme von vor drei Jahren, vorletztes Video durch einen Schauspieler dargestellt, usw.) trauen sich die Amis nicht Osama für tot zu erklären… die glauben anscheinend dass da sonst eine Wallfahrt losgeht oder irgendwas, falls man seine Reliquien überhaupt noch findet. Alles bloß kein Schlußstrich. Was Abdullah von Arabien wohl dazu sagen würde?

    Daniel, ich finde Du hast die Troofer in ihrem Wesenskern richtig erfaßt. Eine Bewegung die neue Medien dazu mißbraucht die von den alten Medien geschaffenen Wissensgefälle in der Gesellschaft auszubeuten. Die interessante Frage in dieser Angelegenheit bleibt wieso hat dieser Bin Laden nicht auf die NSA gezielt sondern auf die architektonischen Pappkameraden?

    PS: Mach doch mal was über Mobilfunkstrahlung (Der Handykrieg)

  8. spazzt Says:

    heute lief ich durch die straßen von mainz und die Auslage des zweitgrößten Buchgeschäfts (gutenberg buchhandlung) bestand u.a. aus den folgenden drei, in dieser Reihenfolge liegenden, Büchern: Die Feimaurer – Das ABC des Judentums – Verschwörungsthorienbla. drum herum lagen die üblichen kochbuchsachbücher, also nichts über das Thema Religion. Projektionen eines Buchhändlers oder Zustand der Gesellschaft? wohl eher letzteres.

  9. Die Verschwörungsmusiker der Bandbreite auf dem DGB Fest | MAXImal Says:

    […] die Luft gesprengt hätten, um den Krieg im Irak zu legitimieren (es berichteten hierzu ja bereits kulla, greschka, […]

  10. Das neuste Machwerk der Duisburger Neo Nazi Band “Die Bandbreite “ « Enslaved by Propaganda Says:

    […] Februar 4, 2008 · No Comments Querfront und Distinktion selbst gemacht […]

  11. Wojna vs Anti-Deutscha | schildkroetenblog Says:

    […] nichts mehr über diesen Trottel schreiben, dass haben ja schon Ivo, taylerbob, Classless (1 2 3 4), und Phex gemacht, aber sein neues Video ist echt der Hammer, man könnte es fast als […]

  12. “Falsche Flagge” « “Drogen geil, Party machen, Arbeit scheiße und Deutschland scheiße!” Says:

    […] ein Video gemacht, mit schönen bunten Bildchen. Sich darüber aufzuregen ergibt wenig Sinn, das hat man ja schon einige Male gemacht, und der Typ scheint eh imun gegenüber Kritik. Das neue […]

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