Tag der deutschen Einheit
October 3rd, 2007Gestern abend beobachtete ich zunächst im stillgelegten Kindergarten am Bersarinplatz Rehearsals oder wie Rehearsals aussehende Aufführungen von französischem Antivergewaltigungsstraßentheater, bis lange nach 9 endlich die Vortragsveranstaltung mit Hannes, dem Fringeli und Alexis begann. Wie zuletzt auch erzählte Christoph von der möglichen Subversion einst und Hannes erklärte die Unmöglichkeit selbiger wegen kapitalistischer Totalität. Dazwischen berichtete Alexis mögicherweise Spannendes von der emanzipatorischen Aneignung von Technik, was aber wegen seiner eher unsouveränen Lautstärke nicht zu verstehen war.
In der Diskussion redeten erstmal alle aneinander vorbei, hauptsächlich weil unter “communist” verstanden wurde, was die meisten Technivalisten auf der Welt darunter eben verstehen. Lediglich einer, der sich wirklich reinhängte und insgesamt sicher 20 Minuten redete (dabei sich ständig dagegen wehrend, unterbrochen zu werden), rollte ein bißchen den Apfel, indem er Kapitalismus zum Nebenproblem und Marx zum Wichser erklärte.
Es folgte Dubstep, der wie immer toll klang, aber mich sowenig wie die meisten Anwesenden zum Tanzen animierte (Heiner sagt, es ist alles eine Frage des Eigenanteils), aber schließlich wurde es Breakcore und Drum’n’Bass (Fringeli und Alexis wechselten sich ab) incl. Bong Ra von der unveröffentlichten nächsten Platte, bei der ich mich als Tanzender ernst genommen fühle und nach der alles andere erstmal wie verklemmtes Downtempo klingt.
Von der einen kommunistischen Breakbeatparty zur anderen wurden wir mittels heißem Tip und entspanntem Lift ins Tacheles bzw. Zapata teleportiert: hier feierte die (mutmaßlich verkehrte) Antifa “No Nation” mit anständigem Gebreche und Getoaste auf der Bühne vor einer Leinwand, auf der “Pulp Fiction” lief. Als wir eintrafen, warfen gerade drei Vermummte Flaschen auf die vor dem Eingang dumm herumstehende Polizeiwanne, und verdrückten sich schnell wieder in den Treppenaufgang. Die Polizei rief einen Wagen Verstärkung herbei, dessen Besatzung einmal ums Gebäude herumlief und jeden einzelnen böse anschaute, dann fuhren aber beide Wannen erstaunlicherweise einfach wieder davon.
Kurz wie der eigentliche Tag dadurch eben war, füllte ich ihn gut mit näheren Bestimmungen der Hauptfigur, der Lektüre der ‘konkret’ (Drei gute Seiten über Buffy ohne jeden Klassenkampf? Verständnis für Michael Moore und Al Gore? Che ist/war gut, weil die, die ihn doof fanden, noch schlimmer waren?) und dem Kochen und Essen des kulinarisch weitaus angenehmsten, was dieses Land hervorgebracht hat.
October 4th, 2007 at 00:44
Ich sehe schlecht, sind das Kartoffel, Bratwürstchen und Sauerkraut?
Find ich jetzt hochproblematisch, dies als das ” kulinarisch weitaus angenehmste[], was dieses Land hervorgebracht hat” zu bezeichnen.
Ich kenne mich mit deutscher Küche zwar nicht so super aus, aber als ein fantastischer Koch von Sauerbraten kann ich über die zitierte Behauptung aufgrund ihres offensichtlich enormen Grades an Falschheit nur lachen.
=)
October 4th, 2007 at 01:09
I was and am and will always be totally serious about everything.
(Das Bild wird größer durch Draufklicken. Und ich habe einen Apfel ins Sauerkraut geschnitten.)
October 4th, 2007 at 01:37
“Und ich habe einen Apfel ins Sauerkraut geschnitten.”
Das macht deine falsche Behauptung nicht besser, mein lieber.
Sauerbraten 4 life!
October 4th, 2007 at 14:18
Es gibt ja Sauerbraten und Sauerbraten… die rheinische Art ist die Interessanteste, dafür aber eine, die ich maximal einmal im Jahr essen kann. Am besten schmeckt mir persönlich der Westfälische Sauerbraten. Welche Version kochst Du, ghost? 🙂
October 4th, 2007 at 14:40
Geht es hier nicht vielmehr um augenzwinkernde Klischeebedienung? Die wahren Stärken der deutschen Küche liegen doch eher in der Vielfalt der Wurstsorten und Backwaren sowie der Suppen. Kartoffelbrei mit Brühe z. B. oder eine Kartoffelsuppe (ohne Speck, aber mit Gewürzgurken und Gundermann verfeinert).
October 4th, 2007 at 14:47
Ich wußte, daß ihr an dem Thema hängenbleibt.
October 4th, 2007 at 14:54
Die Dubstep-Kritik ist gut: Dubstep ist kein Breakcore und ist verklemmt – nein, nicht etwa homosexuell – aber Downbeat. Schlimm genug. Vielleicht weiter: Dubstep ist 140bpm schnell und nicht schneller. Auch nichts.
“Breakcore”, bzw. das was darunter heute läuft, ist manifestierter Konservatismus. Alles was einst an der Musik progressiv war ist der Idiotie der ufta-ufta-Erwartungshaltung der Hörenden gewichen, die es ganz hart brauchen – aber bitteschön tanzbar, wir sind ja in der Disko. Von der radikalen Form ist da nichts übrig, von der Avantgarde, die man mal wollte. Als “Tanzender Ernst genommen” ist auch so ein harter Ausdruck, also weil 10 andere Leute gerade auch tanzen, kann man sich einreden, der eigene Musikgeschmack wäre der überlegenere. Später am Abend bzw. am Morgen hotteten die Leute noch zu Dubstep ab. Mein Gott, man kann Breakcore in Berlin jedes Wochenende haben, da müßte man es sich doch eigentlich so oft besorgen können, dass man irgendwann mal genug bzw. genügend davon hat.
October 4th, 2007 at 15:37
Also zum Rotwein paßt Wildschweinbraten und Blaukraut. Zu diesem Teller paßt eher ein Bier finde ich.
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October 4th, 2007 at 15:39
Rheinischer. Ich dachte es gibt nur den einen.
October 4th, 2007 at 15:48
@UnCthulhu
Schön: Wenige sind so wortreich beleidigt wie du!
Aber das “verklemmte Downtempo” bezog sich weder auf Dubstep (von dem ich nach dem Track nichts mehr gehört habe, bin ja irgendwann weitergezogen), noch war das Kritik an irgendwas. Der fragliche Track war nach all den Schema-F-Wiederholungen des Herrn Ra eine einzige Überaschung und Offenbarung, ich dachte an die Emanzipation des einzelnen Tons im Gewimmel und solche Sachen. Die nächsten beiden Tracks klangen danach vergleichsweise vorhersehbar und eben wie steckengeblieben. Ich wüßte auch nicht mehr zu sagen, wer außer mir und dem Kollegen noch getanzt hat – das war ehrlich gesagt auch bisher selten ein Kriterium.
Daß ich auf einer Tanzveranstaltung tanzen mag, halte ich nicht für so abwegig und auch nicht für konsumistisch. Then again, viele werden das, was wir bei dem Track von Bong Ra gemacht haben, vielleicht auch nicht für Tanzen halten.
Was bei mir wiederum mit Dubstep nicht klappt, ist sehr subjektiv: ich finde die Sounds faszinierend und kann mich oft sehr lange darin verlieren, der Tanzgenuß jedoch will sich nicht einstellen, ich werde das Gefühl nicht los, daß es einfach nie losgeht. Am Rande des Abends tauchte irgendwann die Idee auf, Dubstep-Intros mit Breakcore-Tracks zu kombinieren.
(Und hast du mir jetzt echt noch einen antischwulen Affekt dranschreiben wollen?)
October 4th, 2007 at 16:12
Nö, das passte nur ganz gut rein um die Provokation zu steigern, denn das Wort “verklemmt” in dem Kontext ist hochassoziativ.
Möglicherweise funktioniert Dubstep so anders als Breakcore (eine Frage des Wohnorts: Venus – Mars und so weiter), dass beides schön separiert voneinander existieren sollte. Bei Dubstep ist halt nichts mit Soundgeschredder und bam-bam-bam, sondern alles laaaangsam, und wahrscheinlich noch näher am Kodeinerlebnis von DJ Screw als am bekifften Reggae-Vibe. Sippin on sirup. Das mit dem Tanzen ist ja kein Ding, nur war eben der Sound einst ausgezogen um die Welt zu verändern, doch davon ist nichts mehr übrig. Und gerade auf der Veranstaltung davor davon geredet, dass mal Ideen damit verknüpft waren und dann kommen doch nur alle um den Künstlerstar Kovert zu sehen. Die faulige Avantgarde feiert fröhlich untote Umstände.
October 4th, 2007 at 16:36
Für mich war dieser ein, zwei Stunden lange epileptische Shakeout mit Assoziationsüberflutung und ohne langes Gewarte vorher immer ein schönes und irgendwie auch eingelöstes Versprechen. Es geht mir, wenn es gut ist, hinterher wirklich besser und ich würde auch sagen, daß ich immer etwas davon mitnehme.
Das Verschleppte und Langgezogene mag andere Qualitäten haben, aber es hat eben nicht diese. Konkret verursacht es bei mir nach der oft spannenden ersten Stunde Kopfschmerzen, Müdigkeit und erhöhte Getränkerechnungen. (Was sich auch ganz gut in ein anti-konsumistisches Argument umsetzen ließe… 😉 )
October 4th, 2007 at 17:16
Wobei sich hier ein Argument gegen Techno ergibt. Dubstepparties sind irgendwann zu Ende, verwunderlich, während – Hypothese – Däschnofeierei nur so lange geht, weil der Sound einen nischt zu sehr fordert. Breakcorezappelei geht nicht tagelange. Ich bevorzuge ansonsten Parties mit mehreren Floors, auf denen man sich wie aus einem kalten Buffet aussuchen kann, was gerade passt.
October 4th, 2007 at 17:24
Aber ist das ein “Argument gegen”? Ich meine, wenn jemand vorhat das ganze Wochenende von Donnerstag bis Dienstag durchzufeiern und diese Musik das unterstützt, geht das schon klar. Ist nur überhaupt nicht mein Film.
October 4th, 2007 at 20:59
Warum kommt da niemand in den Ring? Was ist nu mit sich wahlweise Adorno-Zitate oder gleich Werkausgaben um die Ohren hauen? Oder muss man mal einen Soundclash ohne Sound sondern nur mit Text machen: Dubstep versus Breakcore?
October 5th, 2007 at 08:20
Für den ganzen quatsch kenne ich mich weder im dubstep noch im breakcore genug aus
ich hab glaub ich überhaupt nur eine einzige dubstep platte nämlich Various – The world is gone (http://www.youtube.com/watch?v=AS1F9Pg1bE4)
und die find ich zwar fantastisch aber sonst…
Empfehlungen? Bin immer dankbar für sowas und wenn ich es mir leisten kann werd ich mir das dann auch besorgen.
October 5th, 2007 at 12:00
Ich höre derzeit oft Russischen Tango.
October 5th, 2007 at 12:31
Zu finnischem tanze ich aber lieber.
October 5th, 2007 at 12:32
Hab mir gestern mal Bong Ra auf den mp3-Apparat gezogen. Wer Hermann Poole Blount gehört hat kann nicht ganz schlecht sein selbst wenn er bloß elektronische Musik macht. Auch mit Chips kann man also Jazz machen, aber gewöhnungsbedürftig ist es schon, selbst für stromgitarrenverwöhnte Ohren. Vom Gesamtkunstwerk her erinnert Bong Ra ein bißchen an Matthew Webb.
Hanswurst – Kannst Du Klicken