Deutsche Scheinasylanten

January 7th, 2008

>>Zwei Agenten, Hendrik Toom und Jan van Gent, wurden beauftragt, mit Yachten auf Waal und Maas zu kreuzen, um alle Auswanderer zurückzuschicken, die ihnen vom Rhein entgegenkamen auf dem Weg nach Rotterdam und England.<< Die da kamen, waren Deutsche, oft als Pfälzer deklariert, obwohl sie aus verschiedenen deutschen Staaten stammten. Sie wollten nach Amerika. Unter ihnen waren viele Katholiken, die aus katholischen Gegenden flohen; die meisten waren jedoch kurpfälzische Protestanten, die nach Holland und England mit der Begründung um Einlaß ersuchten, sie würden vom katholischen Kurfürsten Johann Wilhelm verfolgt.

Das war jedoch eine Masche, geboren aus Verzweiflung. Es gab zu dieser Zeit keine direkte religiöse Verfolgung in der Kurpfalz. Der dortige protestantische Kirchenrat wies in einer Erklärung vom 27.6.1709 darauf hin, daß die “Familien, die den Rhein hinuntergefahren sind, um weiter nach Pennsylvanien zu reisen und sich dort niederzulassen”, gemeinhin “vorgeben, wegen der religiösen Verfolgung zur Flucht gezwungen zu sein”, obgleich keine diesbezüglichen Beschwerden bekannt seien, auch nicht, daß sie “wegen mangelnder Gewissensfreiheit” gehen müßten.

Ebensowenig gab es ein Dokument, mit dem die englische Königin Anne die Pfälzer eingeladen hätte. Vorangegangen war vielmehr der kalte Winter 1708/9, in dem nach Zeitzeugenberichten sowohl Vögel und Wild erfroren wie auch der Wein am Berg. In den von Kriegen gebeutelten deutschen Gebieten grassierte der Hunger. In dieser Situation erinnerten sich viele Pfälzer an die Geschichten über Amerika, die ihnen schon seit Jahrzehnten u.a. von William Penns Agenten her bekannt waren. Als schließliche “Einladung” scheint der englische Naturalization Act vom Frühjahr 1709 zu funktioniert zu haben, mit dem nicht-englische Protestanten zu englischen Staatsbürgern erklärt werden konnten. Insgesamt fast 20.000 Deutsche machten sich als Wirtschaftsflüchtlinge auf den Weg und hofften, mit den richtigen Parolen als verfolgt anrkannt zu werden.

Kriminelle Ausländer - Das verlangte, nicht erlangte Kanaan

Frank Reid Diffenderffer schreibt 1897 für die Pennsylvania German Society über seine auswandernden Vorfahren:

>>Vielleicht waren niemals zuvor Auswanderer, auf der Suche nach neuem Heim in fernem Land, so knapp mit Geld und dem übrigen Lebensnotwendigen für ihre Reise ausgestattet wie diese Pfälzer.

Die englische Regierung mußte Schiffe stellen, um sie von Rotterdam zu holen. Vom Tage ihrer Ankunft in London waren sie auf die Hilfe der Engländer angewiesen, um ncht zu verhungern. Es gab wenig bis keine Arbeit; Brot war teuer, und die einzige Möglichkeit, die Krise zu überbrücken, bestand darin, öffentlich Geld zu sammeln.<< [1] Dabei kamen 20.000 Pfund zusammen. Außerdem stiftete die Regierung 1.000 hochdeutsche Bibeln und ebensoviele Zelte. Manche der Deutschen kamen in Privathäusern unter, 1.400 von ihnen in Charles Cox' großem Lagerhaus. Trotz der umfangreichen Hilfe sahen sich die Deutschen "gezwungen, in den Straßen Londons zu betteln, was grundsätzlich die Ehefrauen übernahmen." Da zudem in den fraglichen englischen Kolonien nur verheiratete Männer aufgenommen wurden, kam es zu zahllosen Eheschließungen unter den Deutschen, die unverheiratet nach England gekommen waren.

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In der englischen Bevölkerung gab es neben der enormen Hilfsbereitschaft auch verschiedene Ressentiments. Die Deutschen würden ihnen das Brot wegessen und die Löhne drücken, hieß es. Außerdem wurde angeführt, “daß die Deutschen an der Liebe zu ihrem Heimatland festhielten, weiter mit ihren dortigen Freunden korrespondieren würden und daher Spione sein könnten.” Schließlich könnten sie gar “den wahren britischen Rassencharakter zerstören.” (Heute würde man wohl sagen, sie würden an ihrer Kultur festhalten und entsprechend die andere Kultur zerstören.)

Über die Pfälzer, damals berühmt für ihre militärischen Leistungen unter Gustav Adolph und für ihren sprichwörtlichen Fleiß, schrieb der große Jonathan Swift, als wäre er der Udo Ulfkotte seiner Tage gewesen, ihnen wären “Handel und Handwerk fremd, sie zögen es stattdessen vor zu betteln.” Schlimmer noch: Sie schickten ihre Frauen zum Betteln vor.

Es kam soweit, daß ein Mob von 2.000 Leuten das größte deutsche Flüchtlingscamp am Rande Londons mit Äxten angriff. Mohawk-Häuptlinge, die gerade zu Verhandlungen in der Stadt weilten, besichtigten daraufhin das Zeltlager und boten den Deutschen sogleich Land in Amerika an.
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[1] Frank Reid Diffenderffer: The German Exodus to England in 1709, Pennsylvania German Society Proceedings and Addresses 7 (1897), in: Don Heinrich Tolzmann (Ed.): German Immigration to America. The First Wave, Heritage Books, Bowie, Maryland 1993

3 Responses to “Deutsche Scheinasylanten”

  1. Edward E. Nigma Says:

    Ja, ja, die armen Deutschen…

  2. godforgivesbigots Says:

    Sozialschmarotzer ist jeder der sich der gemeinsamen Feindbildpflege entzieht.

  3. HANS Says:

    Nichts begriffen und auch noch das Lernen verweigern: Was genau ist die These dieses “Artikels”???

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