Potsdam -> Löhrbach
April 30th, 2008Schön aus dem einsetzenden Regen rausgetrampt: in Potsdam und an der Michendorfer Auffahrt schon inmitten vereinzelter Regentropfen insgesamt 10 Autos angehalten, die nach Caputh oder Ferch fuhren; die tätowierte junge Frau auf dem Weg nach Treuenbrietzen und der ehemalige Hobby-Hanfzüchter und jetzige Zwangsabstinenzler (wegen Wohngemeinschaft mit seinem Chef) bugsierten mich zwar nicht weit, aber unters Tankstellendach der Raststätte Fläming, das mich vorm mittlerweile prasselnden Regen schützte und wo ich tat, was ich ungern tue: mir anhören, mit welchen bescheuerten Ausreden Autofahrer es zu vermeiden versuchen, nein zu sagen. (Ich wurde teilweise etwas genrvt und didaktisch, d.h. ich beendete die albernen Gespräche mit dem Satz: “Sagen Sie doch einfach nein, ist doch gar nicht so schwer.”)
Nach einer ewigen Viertelstunde sagte eine sympathische junge Ilmenauerin, die im Direktvertrieb für Schmuck tätig ist, nicht nein, sondern ja und wir fuhren sehr schnell bei angenehmer Unterhaltung und etwa ab Leipzig strahlendem Sonnenschein bis zum Rastfof Eichelborn bei Erfurt. Ich spielte ihr die Demos der forthkommenden Platte vor und sie fand die Coverversion von “Erleuchtung und Berufung”, im Original von Witthüser & Westrupp, am besten.
Von Eichelborn nach Eisenach berichtete ein Berufsmusiker über die Bedingungen im Auftrittsgeschäft für alte Rockschinken im Ruhrpott.
Von Eisenach nach Wetterau verfolgte ich mehrere Telefongespräch des pakistanischen Kurierfahrers, die er über sein am Lenkrad befestigtes Handy führte. Das erste Gespräch war ein recht langes mit einem Bekannten von ihm, das mir ermöglichte, mich fast eine halbe Stunde mit dem Sprachklang von Urdu vertraut zu machen. Das zweite Gespräch war kürzer, am anderen Ende war sein herumbellender Chef. Ich sagte hinterher, wie unfreundlich der geklungen hatte und der Fahrer meinte, darauf würde er lieber gar nicht hören. Ich meinte, nette Menschen werden eben meist keine Chefs, worüber er eine Weile lachte. Dann unterhielten wir uns über halal geschlachtetes Fleisch, die Besonderheiten des pakistanischen Islam, der aber dennoch genau auf der Linie aller Sunniten liegen soll. (Ich habe das nicht ganz verstanden, das Wort “System” tauchte häufiger auf; ich werde es bei Gelegenheit mal nachzulesen versuchen.)
Dann folgte das dritte und kürzeste Gespräch, mit seiner Frau, die ihn fragte, ob sie das Essen aufsetzen sollte, was er bejahte und fertig. Gleich nachdem er aufgelegt hatte, erklärte er mir wortreich, daß es ein Teil des “Systems” sei, daß Frauen kochen und die Kinder versorgen, während der Mann arbeitet und Geld verdient, das er der Frau zur “Verwaltung” abliefert. Wie schon zuvor bei den Themen Schöpfung und göttliche Gebote hörte er sich ruhig und freundlich an, was ich ihm antwortete, nur um seine Merksätze über das “System” ebenso so freundlich und ruhig zu wiederholen.
In Wetterau wurde es dann doch dunkel – es war mittlerweile halb neun -, so daß ich wegen der defekten Straßenlaterne an der Ausfahrt des Rasthofs doch wieder Leute an der Tanke anquatschen mußte, was wieder genauso deprimierend war wie Stunden zuvor. Als ich einen Heidelberger “Men’s Health”-Typen, der ständig “hektisch” sagte, eine Weile erfolgreich dahingehend bearbeitet hatte, mich wenigstens am Weinheimer Autobahnkreuz abzuwerfen, trat ein älterer Herr aus Karlsruhe dazu und fragte mich, wo ich hinwollte.
Ich ahnte, daß bei ihm die Chancen größer sein würden, daß er mich schlußendlich auch noch die paar Kilometer bis nach Löhrbach bringen würde und fuhr mit ihm mit. Ich täuschte mich nicht. Nach einem streckenweise altlinks-esoterischem (sowas z.B.) und streckenweise empirisch-sozialforscherischem Gespräch, hob er gerade zu einer längeren autobiographischen Anekdote über einen Zen-Lehrer an, als wir Weinheim erreichten, und diese Anekdote war erst in Löhrbach zuende.
May 1st, 2008 at 03:26
Wie lang warst du’n da unterwegs? Länger/kürzer gedauert als sonst?
May 1st, 2008 at 12:27
Guter Durchschnitt – etwa acht Stunden. (Die anderen, die erst am nächsten Tag mit dem Auto fuhren, brauchten sieben.)
May 15th, 2008 at 15:37
Das “System”, das ist das Ding da mit den Massenvernichtungswaffen.
May 15th, 2008 at 15:40
Er hier meint, das Problem am System sei das System bzw. das System sei das System:
May 15th, 2008 at 19:15
Was auch immer Du da einbetten wolltest funktioniert nicht. Linky?
May 16th, 2008 at 14:14
Aber jetzt. Also er hier muß sich auf dem Nachhauseweg von seinem zugedröhnten erienkommunismus mit niedersächsischen Bullen auseinandersetzen, weil das System sich vor Massenvernichtungswaffenterrorismus schützt indem es die Verkehrswege überwacht. Der Schengen-Schleier ist ein patriotischer Akt, naja.
May 19th, 2008 at 11:37
Was auch immer Du da einbetten wolltest funktioniert nicht.
May 19th, 2008 at 11:46
Der direkte Link: http://www.youtube.com/watch?v=HQ3lmxxN2kI