Roma -> Berlin
July 21st, 2009Wie Dirk von Lotzow nach seinem Abend im Rotary Club werde ich wohl noch eine Weile brauchen, die Vorgänge genau zu verstehen.
Obwohl ich mir am Samstagnachmittag noch zwei, drei Stunden lang schätzungsweise eine der 15 Städte anschaute, aus denen laut einem Visual-Arts-Menschen, der mich später mitnahm, Rom besteht, und obwohl ich im Laufe der Nacht in Norditalien auf zwei Partys mitgeschleppt wurde, war ich ungeachtet der Urlauberhorden und Sonntagstramper auf der Strecke am Sonntagabend wieder in Berlin. Dabei fallen mir in der Rückschau lauter verzögernde Umstände auf (z.B. der öffentliche Nahverkehr von Rom und die drei Staus zwischen München und Nürnberg), und es kommt mir so vor, als habe ich mehrmals ziemlich lange irgendwo rumgestanden (z.B. am zweiten Rasthof hinterm Brenner und am letzten Rasthof vor Firenze).
Erfolge feierte ich mit dem großzügigen Einsatz von Schildern, die in Italien den Unterschied “ums Ganze” (Adorno, Wahllos herausgegriffene Karteikarten) zu machen scheinen, außerdem mit der taktischen Verwendung von Italienischsimulation (“Va bene”, “Bo”) sowie mit meinem Motto “Ich bin für jede Schweinerei zu haben”, das ich offenbar nichtmals aussprechen muß.
Im Samstagabend-Szenario sprangen mehrere jugendliche Autobesatzungen auf die Nennung meines Reiseziels an: nach Berlino wollten sie auch, aber nicht gleich, eher so in zwei oder vier Wochen. (Als ich noch in Dresden wohnte, war die Herkunftsangabe immer eher eine Art Handicap, die Leute dachten, okay, der ist ausm Osten, sicher nett, aber nicht ganz zurechnungsfähig. Zu sagen, daß ich aus Berlin komme, ist für manche eine vollständige Selbstauskunft.)
Sogleich wurde ich eingeladen, sie wollten mir zeigen, wie sie feiern. Die ersten Angebote schlug ich aus (“drinking in Milano” mit drei bereits stark betrunkenen Kerlen, mutmaßlich Bierchen und Tütchen und Kiezpatriotismus in Parma, Livorno und Verona; außerdem auch ein Busreise nach Wales), von zwei Feiereigrüppchen ließ ich mich dann aber doch mitnehmen, unter der Bedingung, daß sie mich später wieder zur Autobahn schaffen. Das ging in beiden Fällen sehr locker über die Bühne, da ohnehin viele Partyhopping von Stadt zu Stadt zu betreiben scheinen. Ein nüchterner Fahrer plus zwei oder drei aufgekratzte Leute, einmal auf eine Gartenparty irgendwo zwischen Carpi und Mantova, das zweite dann doch nach Verona, in eine große sturmfreie Elternbude.
Schön war’s, ich beobachtete ein geradezu fetischistisches Verhältnis zur englischen Sprache, und wurde zum Schluß wieder an einer Autobahntanke abgesetzt, wo ich erst dachte, ich würde die ganze Nacht dort stehen bleiben. Dann nahm mich aber doch das erste Auto mit, zwei Tiroler Teenager mit Papas Auto zum ersten Mal nach Italien, jetzt wie ich auf der Rückreise.
Die beiden längsten Gespräche hatte ich in den letzten Stunden der Reise, das eine mit einer 50jährigen katholischen Buddhistin aus den Dolomiten über das Leiden, ihre kaputte Familie, Karma und historischen Materialismus (am Ende fragte sie mich, ob ich Musik mit Bässen dabei hätte, und ich hatte); das andere mit einem DDR-Bürger, der erwerbstechnisch auch nach 1990 jede Menge Glück gehabt hat und jetzt “der Leute wegen” lieber nach Schweden zieht. Genau vor ihm hatte mich ein Schwede mitgenommen, der gerade der Arbeit wegen in der Nähe von Wunsiedel lebt und ein sehr lustiges Deutsch sprach, das komplett wie Schwedisch klang und an vielen überraschenden Stellen eine Endung oder einen Silbeneinschub zu viel aufwies.
No autostop? Von wegen!
July 24th, 2009 at 10:14
Das klingt ja gerade so als würde das verkehrssicherheitstechnisch unsinnige pauschale Autostopverbot ein antiautoritäres Bedürfnis hervorrufen sich nicht daran zu halten.
July 24th, 2009 at 10:31
Hi! Wo hast Du Dich denn da plaziert zum Trampen? Ich habe mich nämlich von der Zeile “No autostop” abschrecken lassen letzten Sommer…
July 25th, 2009 at 08:56
@ Kommando
Schon möglich, auf jeden Fall heißt es einfach, daß auf dem Schild nur ein sanktionsbewehrter Wunsch steht und keine Beschreibung der Tatsachen. Ich bin ja auch anderen Trampern begegnet.
@ Wladi
Manche dieser Schilder stehen schon an Stellen, an die ich mich auch nicht stellen würde, weil die Auffahrten kurz und knapp sind. Ansonsten ist es eine Ermessensfrage. Wenn die Stradale kommt, sollte man vielleicht doch unauffällig was anderes tun, andere Polizeieinheiten fahren meist einfach weiter. Es ist insgesamt nicht viel anders als in Deutschland: schnell an einen Rasthof kommen, dort mit dem Schild an die Ausfahrt und einen Kaffee trinken, wenn die falsche Sorte Polizei kommt (Stradale/Bundespolizei).
July 25th, 2009 at 10:05
@less – Also Italien könnte mir auch gefallen. Aber an meiner Heimattrampstelle ist es so wenn man sich von der Verkehrspolizei gezielt unauffällig wegdreht gilt das als “drogentypische Ausfallerscheinung.” Wer sich nicht mal umdreht wenn hinter seinem Rücken die Schiebetüren knallen gilt dagegen als unverdächtig. Auf der anderen Seite kann ich mir aber vorstellen dass “die Stradale” vielleicht kapiert einer mehr der Autos anhält ist einer weniger der Autos anzündet, hat denn schon mal einer mit welchen geredet?
July 25th, 2009 at 11:20
Naja, reden kann man dazu nicht sagen. Ich kann kein Italienisch und sie höchstens ein bißchen Englisch. Einmal fuhren sie mich tatsächlich an eine Stelle, die sie für weniger riskant hielten, was sogar stimmte.
Ansonsten ist schon klar, daß ich mich nicht wegdrehe, wenn sie mich schon sehen können. Dann ist es ja eh zu spät dafür.
August 4th, 2009 at 18:55
[…] hinein.(In Halle erzählte eine Frau, daß sie in zehn Stunden von Rom nach Halle getrampt sei. Meine Performance wirkt dagegen recht gemütlich…) This entry was posted on Tuesday, August 4th, 2009 at 18:55 […]
August 5th, 2009 at 02:31
[…] Halle erzählte eine Frau, daß sie in zehn Stunden von Rom nach Halle getrampt sei. Meine Performance wirkt dagegen recht gemütlich…) tags: biopolitic, borders, culturassism, streetarzt […]