Über Verschränktheiten von Politik und Moral

April 22nd, 2010

Ein kleiner Bericht über die Vorstellung des Verbrecher-Buchs „Verratene Freiheit“

Gastposting von Eric Ostrich

“Berlin, ich schäme mich für Dich!” Dieser gar nicht ironische, sondern nachdrücklich empörte Ausruf von Verleger Jörg Sundermeier mit Blick auf das nur knappe Dutzend Versammelter zu Beginn der Verbrecherversammlung letzten Dienstagabend im Monarch bringt gut zum Ausdruck, was das vorgestellte Buch „Verratene Freiheit. Der Aufstand im Iran und die Antwort des Westens“ dem Verlag und den Herausgebern, auf dem Podium vertreten durch Oliver M. Piecha und Thomas von der Osten-Sacken, ist: ein moralisches Anliegen. Doch wer vermutet, daß dieser Impetus die Veranstaltung oder auch das Buch zur schwer erträglichen Litanei oder zur Bekenntnisliteratur werden ließe, liegt falsch. Vielmehr verhalf er Piecha und Osten-Sacken dazu, ihre Beiträge mit der Emphase und dem Engagement auszustatten, die ihre Analysen und Einschätzungen wenn schon vielleicht nicht immer richtig (darob mag die Geschichte urteilen), so doch angenehm aufrichtig wirken ließ. Dieser moralische Aspekt der Veranstaltung läßt sich auch noch anders ausdrücken: Den Produzenten des Buchs geht es offenbar tatsächlich um etwas in der Welt. Oder nochmal anders: Hier wird ein politisches Ziel verfolgt – was auch gleich im ersten, von Piecha vorgelesenen Beitrag deutlich wurde: dem „programmatischen Vorwort“, das sich dem Elend des von Hugo Chavez ausgerufenen und von Ahmadinedschad mitforcierten „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ widmet und in gerechter Polemik nicht nur dieses seinerseits eben unpolitische und amoralische Programm zerlegt, sondern allein durch dessen Darstellung auch das Debakel einer linken und liberalen Öffentlichkeit, die sich anheischig macht, einem solch korrupten Projekt beizutreten oder es zu verteidigen, desavouiert.

Daß es um eine wegen des moralisch-politischen Charakters des Abends auch für den Verbrecher-Verlag ungewöhnliche Buchvorstellung ging, zeigte sich ebenso eindrücklich bei den Ausführungen von Osten-Sacken, der nämlich gleich ganz drauf verzichtete, aus dem Buch vorzulesen, und stattdessen in freier und wortreicher Rede die Motivation für die Entstehung des Buchs beschrieb, die hauptsächlich in der Empörung über das „dröhnende Schweigen der Linken bis heute zu den Demonstrationen im Iran“ bestand. Nonchalant rauchend, aber gleichzeitig mit konzentrierter Intensivität legte er die Absicht der Herausgeber dar, eine angemessene publizistische Antwort auf dieses Schweigen der Linken zu der Niederschlagung der Proteste im Iran zum einen und der Ignoranz gegenüber der Drohung durch eine iranische Atombombe zum anderen zu geben. Das Buch sei aber auch „ein kleiner Versuch, sich solidarisch zu zeigen – so ausgelutscht dieses Wort auch sein mag“ – solidarisch mit den Anliegen der iranischen Oppositionsbewegung, deren diffuses Erscheinungsbild Osten-Sacken gerne zugestand. Aber immerhin, meinte er, sei die Reetablierung des Begriffes Freiheit als Befreiung des Privatlebens keinesfalls etwas „Exotisches“, sondern etwas, dem man aus wohlverstandenem Eigeninteresse Unterstützung zukommen lassen sollte. Schließlich sprach Osten-Sacken noch über die politischen Kernpunkte in Sachen Iran, die die im Buch versammelten Autoren, die von Bahamas-Autoren über ehemalige medico-international-Aktivisten und iranische Intellektuelle bis hin zu im amerikanischen Sinne Neokonservativen reichen, überhaupt erst zusammenbrachte: „Wir sind nicht der Ansicht und waren es auch nie, daß man auf das iranische Regime Druck ausüben solle, sondern wir wollen den Sturz des dortigen Systems.“

Zwar wird ein solch klar benanntes realpolitisches Ziel der Autoren wohl abschätzige Bemerkungen von allerlei Seiten auf sich ziehen, daß in der Frage der Zukunft des iranischen Regimes Osten-Sacken und Co. sicherlich nicht gefragt würden, aber damit werden sie und auch die Leser des Buchs gut leben können, da eben diese entschieden interessierte Haltung zu den Dingen im Iran immerhin zu klar formulierten Beobachtungen sowohl zum Iran selbst als auch zu den Reaktionen auf die dortigen Proteste in der übrigen Welt – von, nur Beispiele, Judith Butler oder dem US-Präsidenten oder Noam Chomsky – führt, über die sich dann wenigstens streiten und debattieren läßt. Dies wurde im Monarch dann tatsächlich auch trotz der geringen Zahl der Versammelten getan – in starkem Kontrast etwa zur Stille oder alternativ zu den Spiegelfechtereien, die auf Veranstaltungen folgen, die sich zwar durch Parolenreichtum und revolutionäre Korrektheit auszeichnen, ansonsten aber bezüglich des jeweils behandelten Gegenstands interessefrei sind. So drängte sich der Eindruck auf, auch wenn die Veranstaltung von selbstgewählten Propagandisten und Unterstützern einer demokratisch oder bürgerlich genannten Revolutionsbewegung gestaltet wurde, könne man vielleicht mit diesen – da sie wenigstens versuchen, sich eine Idee über den Menschen und die mögliche Verbesserung seiner Lebensverhältnisse machen – wohl recht fruchtbar ebenso über die kommunistische Variante reden – auch wenn dies an diesem Abend, der darauf beschränkt blieb, ein politischer zu sein, nicht geschah.

2 Responses to “Über Verschränktheiten von Politik und Moral”

  1. Infidel Castro Says:

    Also diese Lobhudelei hätte auch etwas kürzer ausfallen können, oder? Buch super, Ostersack cool, aber leider nicht so viele Fans.

  2. Aktionskletterer Says:

    Wenn Ostensacken tatsächlich seine Klasse verraten und nicht bloß neu erfinden möchte, wie andere vor ihm, dann sollte er etwas dafür tun den deutschen Adel abzuwracken. Dass fremde Mächte, an welche dieser Auftrag ausgesourced werden könnte, darüber hinaus nichts gutes im Sinn haben ist bekannt aber hilft nicht weiter. Die Erhöhung der Anzahl der Aristokraten im Kabinett Merkel von 2 auf 3 (unter Schröder: 0) war der bislang übelste Rückschlag für ihren Anspruch mehr Freiheit zu wagen. Konnte sie anfangs noch in Norwegen die Walküre geben, so ist sie jetzt zur Selbstdemütigung unter überlebensgroßen Soldatenportraits gezwungen. Die Verbannung des Personenkults aus der Politik, welche sich wenn schon nicht am Ergebnis des Irakkrieg dann doch wenigstens an den Erwartungen daran begrüßen ließe, scheint in Deutschland seitdem von einer autoritären Regression behindert. Und das alles nur, weil der letzte Politiker der sich sein Internet noch ausdrucken ließ wegen Überforderung aufgeben musste.

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