Bei den Linken Buchtagen

June 26th, 2010

Ein bißchen nach 6 begann Klaus Bittermann, seine Auswahl von Wolfgang Pohrts Greatest Hits vorzustellen. Nach der augenzwinkernden Selbstanpreisung als “Experte für Pohrtologie” las er sein Nachwort zum Sammelband vor, in dem es vor allem um Pohrts Wirkung ging, um die Reaktionen der von ihm Kritisierten, und um die Folgerichtigkeit, mit der Pohrt “sich mit so ziemlich jedem angelegt und es sich verscherzt” hat, auch mit denen, die an seine Kritik anzuschließen versuchten.

Im Nachwort hatte Bittermann geschrieben, Pohrt hätte seinen Text aus der konkret 3/91, in dem er sich einen “atomaren Gegenangriff” Israels auf den Irak wünschte, später bedauert. Nun kommentierte Bittermann, Pohrt hätte ihm just mitgeteilt, daß es da nichts zurückzunehm gäbe. Pohrts Texte, so Bittermann, hätten zumeist einen Zeitkern gehabt, wären auf bestimmte Situationen bezogen gewesen, und seien genauso auch heute zu lesen.

Mir ging es bei der Erst-Lektüre vor fünf Jahren eher so, daß diese Zeitabhängigkeit viele Texte schlicht obsolet machte. Die vielgerühmte “beißende Polemik” kam mir eher auftrumpfend und rechthaberisch vor. Ob die Texte, die ich für weniger zeitabhängig und für wichtiger hielt – seine Rückschau auf den deutschen Film oder “Vernunft und Geschichte bei Marx” -, in den Sammelband aufgenommen wurden, kann ich ohne Inhaltsverzeichnis nicht sagen. Auf jeden Fall enthalten ist “Woher? Wohin? Rückblick auf die Herkunft des Massentourismus”, das der Verlag als Leseprobe anbietet.

Bittermann resümiert:

>>Zumindest kann noch einmal daran erinnert werden, daß in Deutschland die Linke zwar auf der ganzen Linie versagt hat, aber dank Wolfgang Pohrt das Niveau der Kritik an ihr weit besser war, als sie es verdient hatte, ja man kann sogar sagen, daß ein realistisches Bild von ihr nur deshalb erhalten geblieben ist, weil Pohrt sich ihrer Macken, Fehler und Eigenarten angenommen und damit die Mythenbildung erschwert hat.<<

Nächster Programmpunkt war für mich die Podiumsdiskussion zur aktuellen Ausgabe von Phase 2 unter der Überschrift “Wie heute über den Kommunismus reden?” Leider waren Lautstärke und inhaltliche Dynamik der ersten beiden Diskussionsbeiträge dergestalt, daß ich den Raum bald wieder verließ. Auch jene, die länger blieben, klagten über zuviel Einmütigkeit, zu wenig Kontroverse, und die für den gesamten Abend zu große Selbstbezüglichkeit, Texte über Texte, Reden über Reden.

Möglicherweise hätte die Frage eher “Mit wem über Kommunismus reden?” heißen sollen, aber vielleicht spricht da auch schon wieder der Verkäufer in mir.

4 Responses to “Bei den Linken Buchtagen”

  1. Kommunismus in der Abseitsfalle? | Ingo Stützle Says:

    […] ist, darf zwei Tage zuhören, mitdiskutieren und sich auf künsterische Beiträge freuen. Bereits gestern wurde auf den linken Buchtagen über das gleiche Thema diskutiert. Wohl aber nicht so, dass es sich gelohnt hätte. In der Volksbühne sind die Popgrößen der […]

  2. unkultur Says:

    Mir fiel dazu nur eine Abwandlung von Blumfelds Diktum “Lass uns nicht von Sex reden” ein: Warum über Kommunismus reden wollen?

  3. derivat Says:

    vielleicht, weil worüber nicht geredet wird, nicht existiert?
    so der wunsch blumfelds nach dem ende des sex(geschichte) und die performative beschwörung des “kommunismus” im “Manifest der Kommunistischen Partei”: bei zweiterem hats ja temporär geklappt. bei ersterem stehts noch aus.

  4. Aktionskletterer Says:

    Wenn man sich von der überlebensgroßen Darstellung der Vaterfigur nicht blenden lässt, dann fällt auf dass der Zeitkern darin besteht dass sich der Disput vor der Berliner Erklärung abgespielt hat. Möglicherweise steckt also ein Wunsch nach Offenheit als Motiv hinter der Gewaltphantasie. Aber mit so einer Haltung könnte man auch gegenüber Exbischof Mixa gnädig gesinnt sein.

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