Unverständlich, unrhythmisch, Quatsch – die ‘junge Welt’ über unsere CD
July 16th, 2010>>Vor ein paar Tagen drückt mir ein Kollege in der Redaktion dieses Ding in die Hand. Ein graues, bookletgroßes Heftchen. Die CD ist auf der letzten Seite liebevoll mit Tesafilm befestigt. Er zwinkert mir mit einem Lächeln zu: »Das ist was für dich.« Achso. Zuhause dann der Schock.
Zumindest das Cover von »Wir hatten doch noch was vor« ist vielversprechend. Zu sehen ist eine handgeschriebene To-Do-Liste. »Wäsche waschen« und »Müll runter« sind erledigt, »Kommunismus« und »Weltraum« noch zu tun. Vielleicht hätten classless Kulla & istari Lasterfahrer ihre Ziele gar nicht so hoch setzen müssen. »Verständliche Texte«, »strukturierte Arrangements« oder einfach mal »hörbare Musik produzieren« wären sicher Aufgaben genug gewesen. Das ist nämlich noch lang nicht alles, was der Platte fehlt.
Ein Kulla & Lasterfahrer-Track ist schnell gemacht. Man nehme irgendeinen Song und pitche ihn etwa auf das Dreifache seiner Originalgeschwindigkeit. Dabei sollte einem nichts zu heilig sein. Ob »It won’t be long« von The Beatles, »Jungle Drum« von Emiliana Torrini oder einfach irgendein HipHop-Beat. Einfach den Pitch-Regler hochziehen, ein paar ungetimte Breaks mit rein, und fertig ist zumindest das musikalische Grundgerüst.
Für das Stimmliche ist der Blogger Classless Kulla zuständig, der auf der Platte darauf besteht, nicht auf »Blogger«, »Künstler«, »Hete« oder »Schwuchtel« reduziert zu werden. Schließlich »ist nichts mit sich selbst identisch« – auch er nicht. Ja genau, so muß ein Kulla & Lasterfahrer-Text klingen. »Wer behauptet, eine Identität zu haben, steckt sich selbst in eine Schublade«, »wenn du mir glaubst, dann bist du selbst dran schuld«, oder »too many dicks on the dancefloor«. Weisheiten über Weisheiten, so schnell und unrhythmisch gerappt/gesungen/gestottert, daß niemand mitkommt. Die Texte sind im Booklet abgedruckt. Das meiste wird aber auch hier nicht verständlicher.
Ich sehe es genau vor mir: Die beiden mitten in einem »F’hain«- oder »P’berg«- Schuppen. Am Sampler mit ’ner Pulle Bier in der Hand. Der Laden ist voll von Männern mit Jutebeuteln und halblanger »Mir ist alles egal«-Frisur, und Frauen mit, nun ja, denselben Outfits. Alle versuchen, interessiert zu gucken und den Kopf ganz »crazy« zu schütteln, um im Anschluß über den Inhalt von Songs wie »das Warensubjekt hat immer recht« zu philosophieren. Dabei ist allen klar, daß sich keiner der Anwesenden diesen Quatsch außerhalb der Szenemauern reinpfeifen würde. Dieses Produkt wird auch für professionelle Interesse-Vortäuscher eine wahre Herausforderung.
Luis »Lucry« Cruz: Und fertig ist der Lack. Für Interesse-Vortäuscher: Das neue Ding von Kulla & Lasterfahrer
July 16th, 2010 at 08:43
Auch wenn ich Eure Musik nicht mag, kannst du immer noch von dir sagen, dass du privt sympathischer bist als dieser Cruz. Der ist echt ein arroganter Arsch.
July 16th, 2010 at 09:28
ich fürchte, die haben recht. so weh mir das tut. aber ich hab eh schon immer gesagt, dass du das mit der musik lassen solltest:)
July 16th, 2010 at 13:36
Iiieh, Frauen die wie Männer aussehen!!!1! … Rock on Kulla, ich hau mir jetzt erstmal Live@Trofa rein.
July 16th, 2010 at 13:59
Immerhin hat mich die Publikumsbeschimpfung dazu gebracht mal in seine Musik reinzuhören (eher nicht besser… und die Texte erst), sowie eine Suchmaschine loszuschicken um herauszufinden wieso die Jutepflanze als Material derart in den Vordergrund gerückt wird, wo es sich doch nur um einen Ersatzstoff handelt für den es in Europa kaum geeignete Anbaugebiete gibt (Hanf wächst hier besser). Ergebnis, wenn welche Einkaufstaschen als Handtaschen nehmen, dann können Modejournalisten Geld damit verdienen darüber zu berichten, und der ganze Vorgang bekommt eine Bedeutung im übertragenen Sinn:
Das Zeichengefüge womit der Rezensent in Kontakt geraten ist hat ihn offenbar mit der Frage nach der eigenen Authentizität konfrontiert. Wie eine Vision aus dem gesellschaftlichen Unbewussten erscheint ihm ein bestimmtes Zeichen – die Einkaufstasche bzw. ihr Aufdruck – als Generalschlüssel zum Gesamtkunstwerk, und dessen spezifische Entschlüsselung als (Zerr-)Spiegel der Seele. Welches Zeichen dafür herangezogen wird ist dabei ganz gleich, egal ob Werbegeschenk-Stofftasche oder Äsopsche Traube, sie hängen alle immer zu hoch. Die Vortäuschung der Vortäuschung ist eben auch eine Täuschung.
July 16th, 2010 at 14:42
Musik =/= leichte Kost == schlecht… das sagt wohl mehr über den Kritiker, als über die Scheibe. Liest sich ganz so, als würde sich Cruz auch bei einem Sammelband mit Schwitters-Gedichten darüber aufregen, dass “alles voller Buchstaben” ist. Sicherlich stolpere ich bei dem ein oder anderen Reim auch gerne mal (Favorit: “…und Deutschland kackte endlich ab” bei Dresden calling) oder raffe nicht alles sofort, was mir Kulla in den Gehörgang wirft, aber zumindest die Mühe sich die Texte & Samples mal zwei Sekunden länger anzugucken und darüber nachzudenken, ob das Chaos vielleicht Programm ist, das ist wohl zu viel verlangt.
Naja, das Motto: “Wen man aufsteht und weiß wo der Feind (mit langen Haaren und Jutebeutel) steht, dann hat der Tag Struktur.” ist halt keine gute Grundlage um Kritiken zu schreiben, scheint’s.
Ich zumindest höre Kulla auch dann gerne, wenn ich nicht gerade einen Club Mate in der Hand habe, mit hornbebrillten, armycap-mit-buttons-dran-tragenden Menschen in einem “Szeneladen” sitze und über Hegel, Marx, Adorno und Kulla-Texte sinniere. 😉
July 16th, 2010 at 15:00
“Dieses Produkt wird auch für professionelle Interesse-Vortäuscher eine wahre Herausforderung.”, trifft wohl eher auf die junge Welt zu.
July 16th, 2010 at 15:23
das ist ja wohl extrem super kool diese kritik!
– keine Verständliche Texte
– keine strukturierte Arrangements
– keine hörbare Musik
wow. ich hatte ja schon eher den eindruck das das alles zu popig ist was wird da zusammengeschustert haben.
und das ist meine lieblingsstelle:
»Der Laden ist voll von Männern mit Jutebeuteln und halblanger »Mir ist alles egal«-Frisur, und Frauen mit, nun ja, denselben Outfits. Alle versuchen, interessiert zu gucken und den Kopf ganz »crazy« zu schütteln, um im Anschluß über den Inhalt von Songs wie »das Warensubjekt hat immer recht« zu philosophieren.«
wenn wir mal wieder in f`hain spielen lassen wir nur leute mit jute beuteln und “mir ist alles egal”-Frisur rein.
July 16th, 2010 at 15:24
[…] der neuen cd „wir hatten doch noch was vor“ mit classless kulla kam jetzt von eben jenem eine gefundene review […]
July 16th, 2010 at 15:39
“das Dreifache seiner Originalgeschwindigkeit”
das sollten wir aber vielleicht echt nochmal probieren, wo wir, ich glaube im durchschnitt bisher nur so 5 halbtöne gepitcht haben. 36 halbtonschritte nach oben, das könnte irgendwie ganz gut kommen, allerdings macht glaube ich cubase maximal 300 bpm… hm dann wären wir aber bei den meisten sachen bei ca. 340-420 bpm. können natürlich 8tel noten als 4tel noten umbenennen, da gehts dann mathematisch schon irgendwie. icg mach mal ein instrumental…
July 16th, 2010 at 16:04
” »Verständliche Texte«, »strukturierte Arrangements« oder einfach mal »hörbare Musik produzieren« wären sicher Aufgaben genug gewesen. Das ist nämlich noch lang nicht alles, was der Platte fehlt. ”
–> da haben wirs. Es lag doch nicht an unsrer Anlage, dass man dich nicht hören konnte. Die Musik ist nicht hörbar 😉
Aber lass den Kopf nicht hängen, unterhalb der “Internationale” machts die Junge Welt nicht mit positiven Rezensionn
July 16th, 2010 at 19:02
Was könnte einem in der jungen welt besseres passieren?!
July 16th, 2010 at 19:31
Wo ist dieser Schuppen. Hört sich gut an 😉
July 17th, 2010 at 04:27
“Der Laden ist voll von Männern mit Jutebeuteln und halblanger »Mir ist alles egal«-Frisur, und Frauen mit, nun ja, denselben Outfits.”
woher weiss der, wie ich aussehe?
“Dabei ist allen klar, daß sich keiner der Anwesenden diesen Quatsch außerhalb der Szenemauern reinpfeifen würde.”
ich denke, damit hat er recht.
nichtsdestotrotz, ich mag die platte trotzdem.
July 17th, 2010 at 09:15
gratuliere! 🙂
July 17th, 2010 at 13:58
Das alle gleich aussehen, hat er gut erkannt. Aber wie sollte das in einer Jugendkultur, wo es der Sache nach um Identität und daher stark um äußere Gemeinschaftsmerkmale geht, auch anders sein.
July 17th, 2010 at 18:17
@ lastafara
Das Projekt 300 bpm+ finde ich großartig! Aber was mach ich dann dazu? Gurgeln? Jodeln?
@ Hannes G.
Daß _wer_ gleich aussieht?
July 17th, 2010 at 19:39
Ich muss nicht versuchen meinen Kopf crazy zu schütteln, ich kann das.
pah.
July 17th, 2010 at 20:00
Wie kann man den Olymp der Weltkultur mit epochalem geistigen Inspirationen so derartig mißverstehen. Der sollte sich was schämen, der Flegel von der jungen Welt!
July 18th, 2010 at 19:31
“…und Frauen mit, nun ja, denselben Outfits”
Hahahahah. Rap-Battle: Eure Frauen sind hässlich. Eure Frauen sehen aus wie Männer. Haha. Und Moment, hatten wir das nicht schon mal – wo nochmal? Ach ja, ich erinnere mich. Makss Damage. Antideutsche und so. So ein Zufall.
Und ich finde @lasterfahrerei irgendwelche Leute nicht reinlassen – voll dagegen. Ich wäre da eher für freien Eintritt für alle mit Jute-Tasche und mir-ist-alles-egal-Frisur. Oder lieber für jeden Typen, der fünf Frauen mitbrint, die eindeutig als Frauen zu erkennen sind?
July 19th, 2010 at 08:01
Wenn dann gings wohl eher darum, dass die Männer wie Frauen aussehen.
July 19th, 2010 at 14:26
zoe: mir gings garnicht um leute nicht reinzulassen sonder darum das es dann auch so wie beschrieben aussieht. alternativ können wir auch an alle besucher jute-taschen verteilen wo drauf steht “mir ist alles egal”.
July 19th, 2010 at 15:36
wenn die jf es scheiße findet, ist es gut geworden. so.
July 19th, 2010 at 17:01
ist mir uebrigens (*haare zurueckstreich*) alles egal
July 19th, 2010 at 18:18
Ihr benutzt auch Cubase? Nice. Mit dem Höherpitchen haste Recht, zusammen mit nem anderen Takt geht wesentlich mehr als 300bpm … oder halt einfach einen Audioeditor vorher verwenden um das Sample zu ziehen.
July 19th, 2010 at 18:48
Was mich mal interessieren würde: Was ist das Gegenbild? Kleiderschränke von Männern, so hoch wie breit , mit Aldi-Tüte und “Ich nehme alles wichtig!-Glatze, oder wie getze?
P.S. Ich will so einen Jute-Beutel… für mehr warenförmige Szenekritik!
July 19th, 2010 at 20:27
@lasterfahrerei: hab ich schon verstanden. sollte lustig sein (haha).
July 19th, 2010 at 23:11
Vielen musikanten(auch dem reviewer) wünsche ich einen stromausfall während des auftritts. Denn dann ist improvisation, spontanität gefragt. Und so mancher ‘knöpflesdreher’ entpuppt sich spätestens dann als furchtbarer langweiler.
July 20th, 2010 at 08:55
Das trifft doch?!
July 20th, 2010 at 14:39
Ich frage mich ja, wie man das ueberhaupt nach ueblichen Massstaeben reviewen kann..
Kenne das neue Album zwar nicht, aber das alte war fuer mich einfach ein spassiges rumgetueddel was sich einfach nicht nach Kriterien wie “strukturierte Arrangements” oder “hoerbare Musik” bewerten laesst.
Also bitte.. Kunst nach “gut” und “schlecht” zu bewerten hat immer einen faden Beigeschmack, es dann bei so etwas (jetzt voellig wertfrei) “einzigartigem” zu tun ist meiner Meinung nach Unsinn..
July 20th, 2010 at 15:44
Kenne das neue Album zwar nicht, aber das alte war fuer mich einfach ein spassiges rumgetueddel was sich einfach nicht nach Kriterien wie “strukturierte Arrangements” oder “hoerbare Musik” bewerten laesst.
Das belegt doch den von mir zitierten Passus. Musikalisch sind Kullas Ergüsse schlichtweg irrelevant bzw. unhörbar. Aus dem Interesse an der Musik speist sich folglich auch nicht seine – ja auch sehr begrenzte – Popularität, sondern aus seinem Status als bloggender-Polit-Trottel.
July 20th, 2010 at 19:15
Gerade hier noch mal reingeschaut und verwundert festgestellt, wie ernst das so genommen wird.
Was sagt das denn aus, wie viele Leute avantgardistische kommunistische elektronische Tanzmusik gutfinden? Mir wäre es auch lieber, wenn mehr Leute offenere Ohren hätten, aber das werfe ich doch nicht denen vor, die die Musik machen!
Wer’s nicht mag, mag’s eben nicht – aber dieses Bedürfnis, unbedingt klarstellen zu müssen, wie irrelevant und objektiv schlecht etwas ist, finde ich höchst albern. Wenn ihr lieber geradrhythmige, auf den ersten Blick verständliche Sachen hören wollt, dann weiß ich nicht, was ihr euch dann überhaupt mit Kulla beschäftigt. Der mag Breakcore und Cut-up! Was habt ihr denn erwartet? Von dem anderen Zeug gibt’s doch auch mehr als genug!
Schaut vielleicht noch mal, was der Lasterfahrer oben schrieb:
“wow. ich hatte ja schon eher den eindruck das das alles zu popig ist was wird da zusammengeschustert haben.”
Kulla und Lasterfahrer, lasst euch nicht nerven! Ich tanze unglaublich gern zu euren Sachen, ich find’s gerade verspielt und hintersinnig genug!
July 21st, 2010 at 04:54
Die Junge Welt ist zwar die Ausgeburt der antiimperialistischen Hölle, aber die Rezension schafft es dennoch, fast ohne entsprechende Ressentiments Eure Tönerei zu kritisieren, die ihr ja vor lauter Ironie/Gleichgültigkeit selbst nicht ernst nehmen wollt, sondern viel lieber irgendwas “zusammen bastelt”, aber dann nicht wie die anderen Heinzelmännchen im Hobbykeller der verwalteten Welt den Anstand habt, es ebendort zu belassen, sondern die Platten lieber der ähnlich schrulligen linken Szene zum Plebiszit vorlegt.
Und weil dem so ist und ich meine Stimme geltend machen möchte, so bastelt doch bitte lieber eine Rakete und schießt Euch ins geliebte Weltall, wo bekanntlich Euer Schall und Rauch keine Basis hat, wenn wir von Star Wars mal absehen. Dort könnt ihr ja sicher auch noch bloggen.
Have a mice day!
Best fishes
frankie
July 21st, 2010 at 10:29
@ frank delano
Besonders den letzten Absatz der Rezension finde ich schön ressentimentfrei! Und deine Bemerkungen zum Bloggen und zum Gig als Volksabstimmung! Fühl dich auch noch als der amerikanische Präsident, wenn du dir diese Ironie und dieses – pfui! – Gebastel nicht gefallen lässt! Ja!
July 21st, 2010 at 15:51
Was sie wollen:
http://www.youtube.com/watch?v=A0Gs4xGw1Eg
July 22nd, 2010 at 08:24
Neues Lied von Luis Cruz!!
http://www.youtube.com/watch?v=PL7__8RISEI
July 23rd, 2010 at 14:51
@ Zoe das mit dem 5 frauen mitbringen is doch voll geklaut von sämtlichen A discos.(a-disco.de) …diese praxis sollte UNBEDINGT in die szene einzug halten 🙂
zur musik: der kram is doch super zugänglich, immer schön die selbe taktart…kein übermäßges splatter gefrickel. vll ham die von der jW sich noch nicht 100%ig mit breackcore beschäftigt…
ach ja jute handtasche wird jetzt auch mein accesoir…