Das Schmettern des gallischen Hahns

August 7th, 2010

Der Wirtschaftshistoriker Eckhard Höffner führt laut Spiegel Online den “industriellen Aufstieg Deutschlands” im 19. Jahrhundert darauf zurück, daß die “Dichter und Denker” in Massen “Traktate und Ratgeber” über “Chemie, Mechanik, Maschinenbau, Optik oder Stahlproduktion” schrieben und lasen.

Gerade erst hatte ich im von Jared Diamonds herausgegebenen Band “Natural Experiments of History” einen Aufsatz namens “From Ancien Régime to Capitalism: The Spread of the French Revolution as a Natural Experiment” entdeckt (erste Seite), der im Sinne des ganzen Buches mit den Mitteln der vergleichenden Geschichtsforschung die Auswirkungen der französischen Revolution auf die von Frankreich besetzten deutschen Gebiete untersucht.

Natural Experiments of History Cover

Als Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung wurde die Verstädterung gewählt, und diese wurde zwischen den von Frankreich besetzten und den nicht besetzten Gebieten verglichen.

Chart invaded/not invaded

Noch deutlicher fällt der Unterschied aus, wenn die Gebiete, die nach der französischen Besatzung an Preußen fielen, wo die meisten der Veränderungen inkraft blieben, von den Gebieten getrennt werden, in denen die Veränderungen rückgängig gemacht wurden.

Chart invaded/to Prussia/not invaded

Das geschah alles ganz am Anfang des 19. Jahrhunderts und schuf die Welt, in der Marx – in der Einleitung zur “Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie” – schrieb: “Wenn alle innern Bedingungen erfüllt sind, wird der deutsche Auferstehungstag verkündet werden durch das Schmettern des gallischen Hahns.”

Und das geschah alles vor der Höffnerschen “Wissensexplosion”, die bei den Netzdynamikern jetzt zur Selbstverlängerung in die Geschichte benutzt wird, weil das Traktatedichten und Fabrikdenken laut Höffner ohne Copyright rasanter vonstatten ging, und wohl auch weil nicht nur die Deutschen heute Technik der sozialen Umwälzung vorziehen.

4 Responses to “Das Schmettern des gallischen Hahns”

  1. bigmouth Says:

    riesenproblem: besetzung durch frankreich korreliert natürlich auch mit einer geographischen lage in der mitte europas mit zugang zum rhein. düsseldorf hatte einfach bessere vorrausetzungen als etwa frankfurt/oder. außerdem haben wir mit dem ruhrgebiet zufällig eine der größten kohlevorkommen europas mit in diesem gebiet, mit großer anziehung auf migration. wäre interessant, das mal rauszurechnen – wie viel von dem franzoseneffekt da noch übrig bliebe? es müssten die gebiete in ihren vorrausezungen völlig homogen sein, damit so eine weitreichende these daraus ableitbar wäre

  2. bigmouth Says:

    einen nützlichen link häte ich auch noch: http://de.wikipedia.org/wiki/Rheinbund#Reformen_in_den_Rheinbundstaaten

  3. Donauwelle Says:

    http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur-nachrichten/wachstum-auf-kosten-anderer-franzoesische-wirtschaftsministerin-schiesst-gegen-deutschland;2545926;0

  4. dr0fn0thing Says:

    http://www.wired.com/epicenter/2010/08/copyright-germany-britain/
    lesenswerte erwiderung (also die erste seite nicht so, aber seiten 2 und 3)

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