Zum Begriff der “deutschen Ideologie”

June 25th, 2011

>>Marx und Engels definieren deutsche Ideologie somit als eine, die glaubt, Begriffe beherrschten die Menschen; es gälte somit, sich von diesem Allgemeinen zu befreien und das echte, unmittelbare, weil konkrete Sein in sein Recht zu setzen. (…) Der Marxsche Materialismus dagegen ist ein Denken der Versöhnung, das weder das Allgemeine noch das Besondere verabsolutiert, sondern weiß, dass dem Einzelnen nur in einem vernünftig organisierten Allgemeinen keine Gewalt angetan wird. (…)

Insbesondere der späte Marx des Kapital hat den realistischen Gehalt von Ideologie sehr genau begriffen und deren Entstehung im egalitären Prinzip des Warentauschs logisch nachzuzeichnen versucht. Ideologie ist demzufolge nicht bloß falsches, sondern notwendig falsches Bewußtsein, was zugleich bedeutet, dass es den falschen Verhältnissen entsprechend “richtiges” Bewußtsein ist.<< Alex Gruber/Philipp Lenhard: “Deutsche Ideologie”: Von Stirner zum Poststrukturalismus (Das ist die Einleitung und Leseprobe des Bands “Gegenaufklärung. Der postmoderne Beitrag zur Barbarisierung der Gesellschaft”, dessen Verallgemeinerungen zu dem unter Postmoderne Subsumierten ich mich nicht anschließen kann und dessen Bemerkungen zum Islam ich mit größter Vorsicht genießen würde…)

Alex Gruber Philipp Lenhard Gegegnaufklärung Postmoderne deutsche Ideologie Marx Ca Ira ISF

15 Responses to “Zum Begriff der “deutschen Ideologie””

  1. TZBH Says:

    Habe es zwar noch nicht gelesen, aber aus Interesse: Warum würdest du deren Bemerkungen zum Islam denn mit vorsicht genießen?

  2. classless Says:

    Führt jetzt gerade zu weit, müßte ich mal extra was zu schreiben…

    Ganz kurz: sowohl in bezug auf postmoderne Philosophie als auch auf den Islam gibt es bei den Autoren (nicht nur hier) eine starke Tendenz zur (unzulässigen) Verallgemeinerung und dazu, Nicht-Spezifisches als Spezifisches hinzustellen.

  3. paule Says:

    Hier lässt sich der Buchvorstellung zuhören: http://morgenthau.tumblr.com/post/6652154980/buchvorstellung-gegenaufklarung-der-postmoderne

  4. schrotteimer Says:

    “Verallgemeinerung” (gar noch “unzulässige”) ist nun wirklich ein Schlagwort aus dem Jargon von Feuilletonisten und Akademikern, die erstmal alle Fakten fein säuberlich aufgelistet bekommen wollen und am Ende vor jedem kurzen Urteil eine ellenlange Erklärung verfassen, dass man noch nichts genaueres wisse und die Thesen erst noch empirisch überprüft werden müssten (“kritisch”, versteht sich). Kein Zufall, dass das auch der häufigste wissenschaftliche Vorwurf an Goldhagen war – “unzulässige Verallgemeinerung”.
    Bleibt zu hoffen, dass etwas mehr hinter deiner Kritik steht, als es der Ausdruck “Verallgemeinerung” vermuten lässt.

  5. BomberDomme Says:

    Bezieht sich auf unsere Facebookdebatte…
    Nur des stichelns halber ….. Ist das eigentlich Redlich ? so ganz ohne Zitat und Quellensammlungen irgendwelche Aussagen über das Buch zu treffen?

    🙂

  6. classless Says:

    Wenn ich etwas einer ganzen Gruppe zuschreibe, von dem ich weiß, daß es nicht auf alle zutrifft, ist das eine solche Verallgemeinerung. Wenn ich stattdessen einer Mehrheit zuschreibe, was ich über diese Mehrheit mit einiger Sicherheit aussagen kann, ist das keine solche Verallgemeinerung.

    Aber wie gesagt, das hat auch mit der Form zu tun: die Texte im Buch scheinen mir genügend Platz für Genauigkeit zu bieten, deshalb würde ich das aber nicht mit jedem Refrain und jeder Demoparole so eng sehen (mit manchen aber schon…)

  7. Donauwelle Says:

    Vielleicht läßt sich an einem Beispiel sichtbar machen warum Vorsicht angebracht ist. Der postmoderne Beitrag zur Barbarisierung der Gesellschaft in Kooperation mit dem Islam, das ist beispielsweise wenn der Siemens-Konzern den Mullahs Überwachungstechnologie verkauft. Freilich findet bereits eine Barbarisierung der Gesellschaft statt wenn Freiheitsrechte ganz unislamisch verletzt werden, aber die Verbreitung unsichtbarer Foltertechniken barbarisiert auch antimoderne Gesellschaften deren Herrscher sich nichts daraus machen dass ihre Repressalien nachweisbare Spuren hinterlassen. Der hochtechnologischen Persönlichkeitszerstörung wird dort noch die archaische Körperstrafe hinzugefügt, bzw. umgekehrt jene dieser vorausgeschickt, wodurch die postmodernen Gesellschaften zur Verlängerung der vormodernen Barbarei beitragen. Dieses Verhaltenmuster ist herstellerseitig in eine Ideologie verpackt, welche in einer Art Pseudo-Umkehrschluß zu behaupten versucht der Treibstoff der Barbarisierung diene angeblich der Abwehr der Barbarei (der Überwachungsstaat sei eine Art Schutzfunktion gegen die Islamisierung und nicht deren Voraussetzung). Diese Ideologie hat den Zweck die Geschäfte zu rechtfertigen die mit dem Zeug gemacht werden, und je stärker sie dekonstruiert wird um so eher kommen diese vielleicht nicht zustande, am besten weder dort noch hier.

  8. neuronal Says:

    Ich bin ja wahrscheinlich dafür, das Abstrakte mit dem Besonderen zu versöhnen, was immer das im Einzelnen bedeutet. Mein Eindruck ist allerdings, dass das in solchen Texten spektakulär mißlingt und stattdessen nur ein bestimmtes Abstraktionssystem (der Marx-Adorno-Tunnel) absolut gesetzt wird.

    Außerdem fehlt mir in der Definition von deutscher Ideologie noch was, das hilft, sie von der Philosophie eines durchschnittlichen Buddhisten zu unterscheiden. (Was ja nicht heiße, eine bestimmte Verwandtschaft zwischen beidem zu leugnen.). Das spezifische Problem scheint doch darin zu liegen, WIE die im verlinkten Text zerlegten Philosophen zur Natur zurück wollen, nicht DASS.

  9. neuronal Says:

    Ich leg mal der Vollständigkeit halber noch das Textstück dazu, dass mich gerade auf den Gedankenzug gebracht hat, der zum letzten Posting führte:

    Can you expand a bit on how certain ecodelics (as well as marijuana) can help us de-condition our thinking, have creative breakthroughs as well as intellectual catharsis? How is it that “intoxication” could, under certain conditions, actually improve our cognition and creativity and contribute to the collective intelligence of the species?

    RICH: I would point, again, to Pahnke’s description of ego death. This is by definition an experience when our maps of the world are humbled. In the breakdown of our ordinary worldview – such as when a (now formerly) secular being such as myself finds himself feeling unmistakably sacred – we get a glimpse of reality without our usual filters. It is just not possible to use the old maps, so we get even an involuntary glimpse of reality. This is very close to the Buddhist practice of exhausting linguistic reference through chanting or Koans – suddenly we see the world through something besides our verbal mind. Ramana Maharshi says that in the silence of the ego we perceive reality – reality IS the breakdown of the ego. Aldous Huxley, who was an extraordinarily adroit and eloquent writer with knowledge of increasingly rare breadth and depth, pointed to a quote by William Blake when trying to sum up his experience: the doors of perception were cleansed. This is a humble act, if you think about it: Huxley, faced with the beauty and grandeur of his mescaline experience, offers the equivalent of ‘What he said!”. Huxley also said that psychedelics offered a respite from “the throttling embrace of the self”, suggesting that we see the world without the usual filters of our egoic self.

    Quelle (reicht von anregend bis Blödsinn, grain of salt bitte)
    (Das drüber kannst du wegnehmen.)

  10. lasterfahrerei Says:

    »Es handelt sich […] darum, willkürlich einen Zusammenhang herzustellen, der in Wahrheit gar nicht existiert, sondern darum, des fundamentalen Irrationalismus […] inne zu werden.«
    they say it.

  11. Wolfgang Says:

    “Whoever said that man was a rational being deluded himself and deluded us all.” U.G.

    Obligatory youtube-clip:
    http://www.youtube.com/watch?v=GYyb_-mqa8A
    🙂

  12. Donauwelle Says:

    @neuronal – Zur deutschen Ideologie gehört die Obrigkeitshörigkeit wie die Kirche zum Dorf, zum Buddhismus aber nicht unbedingt:

    In recent weeks we have witnessed remarkable non-violent struggles for freedom and democracy in various parts of North Africa and elsewhere. I am a firm believer in non-violence and people-power and these events have shown once again that determined non-violent action can indeed bring about positive change. We must all hope that these inspiring changes lead to genuine freedom, happiness and prosperity for the peoples in these countries.

    One of the aspirations I have cherished since childhood is the reform of Tibet’s political and social structure, and in the few years when I held effective power in Tibet, I managed to make some fundamental changes. Although I was unable to take this further in Tibet, I have made every effort to do so since we came into exile. Today, within the framework of the Charter for Tibetans in Exile, the Kalon Tripa, the political leadership, and the people’s representatives are directly elected by the people. We have been able to implement democracy in exile that is in keeping with the standards of an open society.

    As early as the 1960s, I have repeatedly stressed that Tibetans need a leader, elected freely by the Tibetan people, to whom I can devolve power. Now, we have clearly reached the time to put this into effect. During the forthcoming eleventh session of the fourteenth Tibetan Parliament in Exile, which begins on 14th March, I will formally propose that the necessary amendments be made to the Charter for Tibetans in Exile, reflecting my decision to devolve my formal authority to the elected leader.

    Quelle (von Fukushima aus den Nachrichten verdrängt wie seinerzeit Durban von 9/11)

  13. ChineseOne Says:

    Gott seid ihr alle dumm! Wird Zeit, dass Stalin wieder kommt und mit euch Abschaum aufräumt!

  14. Donauwelle Says:

    Tja, die Grenze verläuft nicht zwischen Industrie- und Entwicklungs-Ländern sondern zwischen oben und unten.

  15. choooo Says:

    wow danke nochmal für den buchtip daniel! 🙂 ist wirklich ziemlich gut

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