Videomitschnitt “Leben im Rausch”-Vortrag
August 10th, 2011Das Wort “Rausch” beschreibt einen Wahrnehmungsüberhang, etwas, das den Sinnen meist diffus und unscharf hinzutritt, das sinnliche Erleben verstärkt, erweitert, verwirrt; in dem sich der Verstand verlieren und verlaufen kann. Im Kapitalismus verengt sich all dies auf die Frage nach den Mitteln, mit denen sich bestimmte Rauschzustände herbeiführen lassen, als Waren, die produziert, vertrieben und konsumiert werden können: Es soll gleichzeitig so viel wie möglich aus den Menschen herausgeholt und so viel wie möglich in sie hineingesteckt werden, und diejenigen, aus denen nicht genug rauskommt und in die nicht genug hineingeht, sollen bei der ganzen Prozedur nicht stören.
Der Vortrag behandelt die Geschichte der beiden großen globalen Verbotswellen der letzten reichlich 100 Jahre, die den heutigen Zustand zwischen vergeblicher Jagd nach nüchterner Zurechnungsfähigkeit, Betäubung mit Hang zur Selbstzerstörung und unbefriedigendem Gewohnheitsgebrauch immer noch prägen. Für alle, die sich angesichts dieser Lage dennoch dem Projekt von bewußt herbeigeführtem oder zugelassenem Rausch und einer bedürfnisorientierten Produktionsweise widmen wollen, sollte es sich nicht ausschließen, sich vom allgemeinen Dauerrausch auszunüchtern und die kritische Vernunft behutsam zu berauschen.
Aufgenommen in Greiz am 5.3.2011 während der Veranstaltungswoche mit Haskala.
Intro/Outro-Song “Der Rausch” aus dem Album “Nein, nein, das ist nicht der Kommunismus” von classless Kulla & istari Lasterfahrer.
August 11th, 2011 at 22:12
(Sieht etwas zombimäßig aus, wenn der Kopf nach links und rechts dreht, um zu suggerieren, zum gesamten Publikum zu sprechen, während die Augen einen Punkt fixieren.)
August 11th, 2011 at 22:50
Super Vortrag! Danke!
Ein spontaner Gedanke dazu: Was ist eigentlich mit den ganzen Leuten im Arbeitsrausch?
August 11th, 2011 at 23:44
@ benni
Die Nützlichkeit des Rauschs fürs Kapital besteht vor allem darin, daß er sich an praktisch jede Tätigkeit heften kann, zu jeder Tätigkeit hinzutreten kann und jede Tätigkeit und die sie ausführenden Subjekte beeinflussen kann. (Das ist fürs Kapital wie für jede andere Herrschaft interessant, aber auch in emanzipatorischer Absicht.) Das gilt prinzipiell für jede Produktion, Konsumtion und Distribution im System, denen der Rausch einen Sinn verleihen, die er effektiver resp. gewinnbringender ablaufen lassen und die er mit emotionalem Bindemittel ausstatten kann.
Dann gibt’s noch sowas wie die amtliche “Arbeitssucht” bzw. Karoshi, welche die Normabweichung bzw. the death tryin’ bezeichnen, was wie bei anderen Abhängigkeiten oder Zwangshandlungen genauso wenig mit besonders starker Wirkung (also in diesem Fall: Leistung) zu tun hat wie notwendigerweise mit Rausch.
August 11th, 2011 at 23:47
@ nAmen
Achtuje. Immerhin hängen mir nirgendwo menschliche Knochenreste aus dem Mund…
September 3rd, 2011 at 15:21
“Sollte Pflichtprogramm für Deutschmuttersprachler in Nimbin werden.” (Der Rezensent)
October 26th, 2011 at 00:58
[…] Vortrag Daniel Kullas unter dem Titel „Leben im Rausch“ (ein aufgezeichneter Vortrag aus Greiz hier) anschließend ein Gespräch über das Verhältnis von „Drogen“ und „Natürlichkeit“, das […]