Nach dem kurzen Sommer der Liebe: Schweineherbst

September 25th, 2015

Was bisher geschah: nachdem ein totes Mädchen mit seiner toten Katze im Arm, eingewickelt in eine EU- und Deutschland-Fahne, am Strand von Mallorca angespült wurde und man in seiner Hand ein Foto von Merkel fand, brechen alle Dämme und die Bundeswehr marschiert in Ungarn ein.

Dann: der Kater. Flüchtende vorübergehend aufzunehmen und in Zelte zu stecken – das können Deutsche nur im äußersten Überschwang, auf den der Kater (abschrecken, einsperren, zusammenscheißen, belehren, germansplaining) folgen muß.


oben: “Spiegel”-Titelgeschichte letzte Woche,
unten: Titelseite der Wochenzeitung “Junge Freiheit” letzte Woche
(ja, die Zeitung, die keine Nazizeitung sein will)

Nun warnt die “Spiegel”-Titelgeschichte dieser Woche entsprechend wieder im wohlvertraut-irren Ton: “Die Flüchtlinge haben das Potential, den Kontinent zu sprengen.”

Und also wird die alte neue Linie grundiert: “Merkels Wandlung ist so gesehen auch eine Geschichte über den Unterschied zwischen guter und richtiger Politik … also zwischen einer Politik, die sich nur an Moral orientiert oder auch an ihren Folgen.”

Wer an die Folgen denkt, kann demnach gar nicht anders als das Richtige zu tun und die kurz aufgeklappte Tür wieder zuzuschlagen und zu verrammeln. Denn: “Merkel ist klar, wie labil die Lage ist.” Nämlich so: “Einerseits brummt die deutsche Wirtschaft, die meisten Deutschen … haben keine Angst um ihren Job. Andererseits kennt Merkel die Deutschen und ihre oft irrationalen Ängste.” Das ist alles. Das ist die labile Lage. Mysteriöse, vom Himmel gefallen, irrationale Ängste, die einem aber nichts anderes übrig lassen, als ihnen nachzugeben.

In einem ganzseitigen Extrakasten innerhalb der Titelgeschichte nennt der “Chef der Jungen Union”, dessen Eltern mit ihm aus Polen flohen, deren Fluchtgründe: “Wir sind gegangen, weil meine Eltern die politischen Unruhen, die sozialistische Gleichmacherei und die grassierende Korruption nicht ertragen haben.” Und dann – Schlaraffenland: “Seit meiner Ankunft hat mit unser Staat unschätzbar viel geschenkt…” Unser Staat! Wie früher! Aber er stimmt dennoch überraschenderweise seiner Kanzlerin zu: “Aber ich stimme Angela Merkel zu, dass wir nicht alle aufnehmen können, vor allem nicht Wirtschaftsflüchtlinge. Das fällt mir nicht leicht, denn meine Eltern…” Ja, das ist sicher sehr schwer für ihn!

Und Merkel hat es unterdessen auch nicht leicht, wie offenbar an vielen in ihrem Staatsvolk nagt es auch an ihr: “…es sei ihr doch nahegegangen, in der Griechenlandkrise als Wiedergängerin der Nazis dargestellt zu werden.” Nun mußten sie (und ihr Volk) solange Herz simulieren, bis sie nicht mehr so dargestellt wurden. Bzw. bis sie sich von der durch Privatisierung, Sicherheitspolitik und Rassismus hergestellten Lage “zwingen” lassen konnten:

«De Maizière erklärt, wie er sich die Hilfe des Bundes für die Länder vorstellt. 40000 neue Plätze werde man bereitstellen. Aber als er anfängt, leer stehende Polizei- und Bundeswehrkasernen aufzulisten, antworten die Ministerpräsidenten: “Sind schon voll belegt.”»

Aber alles halb so schlimm – für Deutschland:

«Es spricht vieles dafür, dass am Ende ein kleiner, hässlicher Kompromiss stehen wird. Er wird Stacheldrahtzäune umfassen, Registrierungszentren an den europäischen Außengrenzen, Geld für Länder wie den Libanon und die Türkei, damit sie Flüchtlinge am Weiterreisen hindern.»

Der deutsche Kompromiß – häßlich, aber zumindest klein.

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