Aus den letzten Tagen: Stendal, Trikoloren und Brasiliens Schlacke-GAU
November 17th, 2015Nazis und “Reichsbürger” liefen am Sonntag mit den Fahnen des französischen Erzfeinds und der “BRD-GmbH” durch Stendal, bezogen ihre Pflicht zum Widerstand auf Brecht, ihre Freiheit auf 1776 und bekundeten ihre Trauer wegen der Anschläge in Paris durch wütendes Geschrei. Derweil waren Polizei und Ordnungsamt damit beschäftigt, die Gegenkundgebungen mit erfundenen Auflagen zu schikanieren, denen jedoch mit Spontankundgebung und Improvisation begegnet werden konnte.
Prozessierender Widerspruch beim Trauern
Anderswo sahen die Zahlen dann am Montag so aus:
“16.11.15 nazis vs #antifa #Dresden 10.000 vs 1250 #Leipzig 500 vs 1200 #Chemnitz 400 vs 200 #Pritzwalk 200 vs 200 #Greifswald 200 vs 200” und “#Duisburg 350 vs 350 #Kassel 30 vs 100 #Halle 350 vs 250 #München 150 vs 450 #Strausberg 120 vs 70” und “#Rudolstadt 250 vs 500 #Hannover 120 vs 100 #Güstrow 250 vs 80 #Berlin 120 vs 200”
Französische Fahnen flatterten auch sonst an vielen Orten oder bildeten Beleuchtung und Avatare – im Bild des zur Fahne gehörigen Staats scheinen Front National, Riot Cops und der ganze Rassismus nicht vorzukommen; auch scheint im Fahnenkult irgendwie unterzugehen, wie sich dieser Staat nun im Anschluß an die Anschläge weiter militarisiert und autoritärer wird, wie also die beschworenen Freiheiten genau jetzt kassiert werden: Pressezensur, Militärgerichte… (Wer die Fahne wegen ihrer historisch-revolutionären Bedeutung verwendet, macht das derzeit auch meist ohne den diesbezüglichen Verweis bzw. ohne Abgrenzung zur nationalistischen und sonstig gegenwärtigen massentaumeligen Verwendung.)
Verweise auf das sonst praktisch komplett ignorierte Terrorgeschehen im Rest der Welt wurden von manchen als spitzfindig oder gleich überheblich abgetan. Jan Böhmermanns alberne (an manchen Stellen aber durchaus lustige) Fragen wurden von der “Welt” besorgniserregend selbstvergessen (wenn auch ebenfalls an manchen Stellen lustig) beantwortet.
Und schon wieder Verweis auf Furchtbares im Rest der Welt, das in diesem Fall aber auch unterm Teppich bleiben soll: Nachrichten von der größten Umweltkatastrophe in Brasiliens Geschichte dringen nach Tagen nun allmählich durch – nach dem Bruch eines überlasteten Damms begruben Milliarden Liter giftiger Bergbauschlacke eine Ortschaft unter sich, die Kontamination dürfte auf Jahrzehnte katastrophale Auswirkungen für die drei Millionen Menschen im Einzugsgebiet des Rio Doce haben und auch einen Großteil des Meeres um die Flußmündung dauerhaft verheeren.
Was Gutes tun? Die internationale Solidaritätswoche für die griechische Instandbesetzung Vio.Me unterstützen – Veranstaltungen dazu gibt’s unter anderem heute in Köln und morgen in Berlin.
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