Mitte April 1919 in Österreich, Ungarn, Bayern und im Ruhrgebiet
April 17th, 2019Am 17. April 1919 startet in Wien der erste von drei erfolglosen Versuchen, aus einer Massendemonstration heraus eine Räterepublik nach dem Vorbild Ungarns und Bayerns auszurufen und damit ein zusammenhängendes revolutionäres Gebiet von Schwaben bis in die Nähe der sich westwärts verschiebenden sowjetrussischen Grenze zu schaffen. Zu diesem Zweck hatte die neue ungarische Regierung den Emissär Ernst Bettelheim nach Wien entsandt, der die dortige KP für den Aufstand neu aufstellte. Die Demonstration wurde von der Volkswehr unter dem sozialdemokratischen Staatskanzler Renner, der eine Stürmung des Parlaments befürchtete, gewaltsam aufgelöst (6 Tote und Dutzende Verletzte), was einen tiefen Graben zwischen Sozialdemokratie und KP aufreißt.
In Ungarn war erst am 21. März die Räterepublik ausgerufen worden, die sich wegen der spezifischen Situation des Landes nach dem Ersten Weltkrieg aus nationaler Selbstbehauptung (Vormarsch von Truppen der Nachbarstaaten und Entente weit aufs Staatsgebiet), sowjetischem Vorbild (Kollektivierung und Verstaatlichung der Wirtschaft, Entmachtung von Adel und Klerus) und auch starker sozialdemokratischer Beteiligung bildete – dazu vielleicht ein andermal noch mehr, eine neue und recht gute Zusammenfassung der Ausgangslage findet sich hier. Ab Mitte April drängen rumänische, serbische und französische Truppen immer weiter ins ungarische Kernland vor, was die Versuche, vor allem in Österreich Kämpfer anzuwerben und die Revolution auszulösen, noch intensiviert. Mit Österreich würden riesige Bestände an Waffen, Munition, Ausrüstung und Geldmitteln in die Hand der Räterepubliken fallen.
In Bayern hatte sich die Lage durch den von der SPD geführten “Palmsonntagsputsch” gegen die am 7. April ausgerufene, zunächst überwiegend linkssozialistisch-anarchistische Räterepublik zugespitzt. Die angreifende Republikanische Schutztruppe wurde unter kommunistischer und anarchistischer Führung zurückgeschlagen. Die heftigen Kämpfe um den Münchner Hauptbahnhof fordern 17 Tote, die Räterepublik geht vom Zentralrat an den KPD-dominierten Aktionsausschuss über, der zum Zwecke des Aufbaus einer Roten Armee zum Generalstreik aufruft. Die Betriebsräte begrüßen das, sehen die Notwendigkeit, sich gegen die bewaffnete Konterrevolution schärfer aufzustellen – wie an vielen Orten treibt die eskalierende Gewalt der Regierungstruppen und die begleitende Propaganda der rechten SPD-Führung die Revolutionäre in anarchistisch-syndikalistische Radikalisierung einerseits, aber auch in die konsequenter wirkenden kommunistischen Partei- und Kaderstrukturen.
Auch im Ruhrgebiet hatte die Beteiligung am nach wie vor laufenden Generalstreik zwar ab dem 14. April kurz nachgelassen, schon am nächsten Tag hatte der blutige Angriff des Freikorps Lichtschlag auf die Streik-Delegiertenkonferenz die Kampfbereitschaft wieder angefacht. Obwohl bei dieser und anderen Gelegenheiten Hunderte aus der Streikkoordination festgenommen wurden, blieben die Streikenden bei ihren Forderungen (Sozialisierung unter Belegschaftskontrolle, Anerkennung und Stärkung der Selbstverwaltung, Abzug der Regierungstruppen) und erklärten am 17. April: “Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiterklasse selbst sein.” [Bluhm, Die Massen:136]
Bekanntmachung des provisorischen Zentralrats zum gescheiterten Putsch gegen die Räterepublik Baiern in München. (entnommen: Schaupp, Der kurze Frühling der Räterepublik, Münster 2017; der Verweis auf Serbien als Räterepublik bezieht sich auf die „Sozialistische Ungarisch-Serbische Republik Batschka und Branau/Baranya“, die auf den nördlichen Teil der zwischen Ungarn und Serbien liegenden Batschka beschränkt blieb und schließlich durch rumänische und serbische Truppen aufgelöst wurde.)
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