Revolution 1920, Teil II: Putsch und Streikbeginn

March 13th, 2020

Als in den Morgenstunden des 13. März 1920 konterrevolutionäre Freikorps-Truppen, viele mit Hakenkreuzen an den Helmen, in der Hauptstadt einmarschieren und – gedeckt von Sicherheitspolizei und Reichswehr, angeführt von deren ranghöchstem Offizier Lüttwitz – die Regierung Ebert aus Berlin verjagen, wissen Millionen im ganzen Land sofort, was zu tun ist.

Gewarnt durch das Blutbad vorm Reichstag im Januar und die Vortags-Nachrichten vom bevorstehenden Putsch, wird die Nachricht von der reaktionären Machtergreifung fast überall im Land als Streikaufruf weitergegeben, vielerorts sofort umgesetzt. (Filmische Nachempfindung davon.) Im Laufe des Samstags bringen die Regierung Ebert und die Gewerkschaften wie auch die Arbeiterparteien Aufrufe zum Generalstreik heraus, was die Masse der Streikenden weiter vergrößert. Auch die Beamtenschaft verweigert sich. Am Montag werden etwa 10 Millionen streiken, dazu später noch mehr.

Offizielles Oberhaupt der Putschregierung ist Wolfgang Kapp, bereits im Weltkrieg Organisator der völkisch-nationalistischen “Vaterlandspartei”, nach dem Krieg dann der stärker konterrevolutionär ausgerichteten “Nationalen Vereinigung”, gleichzeitig Aufsichtsrat der Deutschen Bank, kurz: mit großen Teilen der militärischen und ökonomischen Eliten verbunden. Dennoch ist die Putschregierung von Anfang an kaum handlungsfähig – zum einsetzenden Streik kommt die Abwesenheit ihres wichtigsten organisatorischen Kopfes Pabst bis in den Nachmittag und die Flucht der vorgewarnten abgesetzten Regierung Ebert. (Zur Vorgeschichte kurz)

Die Proklamationen der Putschisten, in denen sie ihre bekannten Forderungen nach Militarisierung und Kriegswirtschaft (mit Todesstrafe für Streik) zu Gesetzen erklären wollen, erreichen kaum jemanden. Sie hatten “zwar keine Unterstützung im Volk, dafür aber regen Zuspruch beim reichsweit stationierten Militär”, schreibt Klaus Gietinger. “Die putschenden Freikorps und die dem Putsch zustimmenden oder mit ihm sympathisierenden Reichswehreinheiten, ja selbst die, die zu der aus Berlin vertriebenen Regierung noch loyal zu stehen vorgaben (obwohl sie ja gegen den Putsch nichts unternahmen), waren allesamt zu sofortigen gewalttätigen Aktionen gegen den Abwehrkampf der Arbeiter und Arbeiterinnen entschlossen. An zahlreichen Orten der Republik schossen sie ohne Vorwarnung in die demonstrierenden oder streikenden Verteidiger der demokratischen Republik.”

Gleich am ersten Tag des Putsches feuert die Marinebrigade Ehrhardt am Halleschen Tor in die Menge, drei Passanten werden getötet. Auch anderswo in der Stadt wird nach dem Prinzip “entleerter Platz” vorgegangen: am Wilhelmsplatz, am Potsdamer Platz und in Steglitz wird zum Teil mit Maschinengewehren in Menschenmengen geschossen, es gibt Dutzende Tote und Schwerverletzte.

Doch so erdrückend das Kräfteverhältnis in der Hauptstadt vor allem wegen der schweren Waffen ist und so umfassend die Mitwirkung bis Duldung des Putsches durch die Reichswehr insgesamt, formieren sich vor allem die organisierten Arbeitskräfte in den Vororten Berlins, in Sachsen und Thüringen, bald auch im Mitteldeutschen Industriegebiet, im Ruhrgebiet, in Mecklenburg umso entschlossener zur Gegenwehr. Aktionsausschüsse bilden sich, die seit Januar teilweise schon wiederbelebten Räte beginnen sich zu bewaffnen bzw. planen die Entwaffnung der Putschisten.

“Chemnitz”, schreibt Gietinger, “das keine Reichswehrgarnisonen, sondern nur ein Zeitfreiwilligen-Bataillon beherbergte, entwickelte sich zu einem Zentrum des ostdeutschen Arbeiter-Widerstands. Schon am 13. März 1920 erklärte ein Aktionsausschuss aus SPD, KPD und USPD, er habe in ‘Chemnitz und Umgegend die politische Macht und vollziehende Gewalt übernommen’. Technische Nothilfe und Bürgerrat wurden für aufgelöst erklärt, Wahlen zu Räten und Aktionsausschüssen verkündet und am 15. März durchgeführt: zehn Abgeordnete für die KPD, neun SPD und je einer USPD und DDP.”

In Leipzig finden Protestversammlungen in 18 großen Versammlungslokalen statt. Als am nächsten Tag, Sonntag den 14. März 1920, Tausende auf die Straßen Leipzigs strömen, schießt das bürgerlich-studentische Zeitfreiwilligenregiment der Reichswehr an drei Plätzen in die Menge, 40 der Demonstrierenden werden getötet, 100 verletzt.

Die Regierung Ebert auf der Flucht bestreitet unterdessen ihren Aufruf zum Generalstreik, schon gegenüber General Maercker in Dresden, der sie beinahe festsetzt, noch mal dann gegenüber Generalmajor Haas in Stuttgart, in dessen Schutz sich Ebert, Noske und die übrige “Weimarer” Regierung, bald die Nationalversammlung begeben.

Das Bild zeigt Kapp-Putschisten am Potsdamer Platz in Berlin (Quelle)

Übersichtsposting zum März/April 1920: Revolution 1920 Übersicht
Übersicht aller Postings zu Revolution und Konterrevolution vor hundert Jahren: Revolution in Deutschland 1918-23.

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