Über “unsere Macht an der Kasse”

June 28th, 2010

>>Unbestreitbar, dem modernen Arbeitnehmer steht heute eine Palette von Gütern zu Gebote, die es in den Anfängen der „Industriegesellschaft“ noch gar nicht gab, schon gar nicht für Arbeiter. Zu bestreiten ist allerdings, dass dieser Umstand den Ehrentitel „Wohlstandsgesellschaft“ rechtfertigt, mit dem sich der Kapitalismus seit mehr als einem halben Jahrhundert schmückt. Automobil, Gefrierschrank oder Plasmafernseher, die in Arbeiterhaushalten gesichtet werden, müssen als Beweisstücke herhalten. Als wäre eine mobile Arbeiterbevölkerung, die den räumlich wie zeitlich flexiblen Einsatz in „atmenden Unternehmen“ abzuleisten hat, ohne fahrbaren Untersatz zu haben. Das schmale Zeitfenster, das nach einem aufreibenden Arbeitstag für die Erledigung der Ernährungsfrage noch bleibt, verlangt zwecks Zeitersparnis nach Vorratshaltung, die ohne Kühl- und andere technische Geräte nicht auskommt. Dass die zu erbringende Leistung an einem modernen Arbeitsplatz seinen Inhaber schafft, ohne dass deswegen ein fürstliches Entgelt winkt, trifft sich hervorragend mit den Angeboten der Industrie für Unterhaltungselektronik. Der Fernseher füllt nämlich den marginalen Rest an Erholungszeit optimal, der nach Erledigung der Notwendigkeiten der Reproduktion für den nächsten Arbeitstag noch verbleibt. Erstens ist das Heimkino im Vergleich zu außerhäusigen kulturellen Großtaten zeitsparend. Zweitens überfordert der passive Konsum bewegter Bilder nicht den Restposten an Kondition und Aufmerksamkeit, den die Leistungsbeanspruchung am Arbeitsplatz allenfalls übrig lässt. (…)

Das führt beispielsweise in der Kunst des Automobilbaus zu der interessanten Frage: Wieviel Auto kann man für 3000 € bauen? Warum angesichts der breiten Palette von Kraftfahrzeugen mit allem Komfort und gediegener Sicherheitstechnik auch noch die 3000-€-Billig-Version her muss, ist kein Geheimnis. (…)

Durchgesetzter Standard beim gehobenen Publikum ist selbstverständlich der Einkauf nur von Bioprodukten, weil diverse Skandale um BSE, Gammelfleisch und Salmonelleneier der großen Supermarktketten und Discounter bis heute nachwirken. Auch das gilt als Triumph gelebter Konsumentenmacht. Dass „gesunde Ernährung“ überhaupt zum speziellen Label der Lebensmittelproduktion werden konnte, spricht schon Bände. Die Selbstverständlichkeit, dass Nahrungsmittel der Gesundheit zu- statt abträglich sein sollten, ist im Kapitalismus offenbar keine. Aber gegen einen gewissen Aufpreis soll sie käuflich sein, in Biomärkten angeblich. (…) Ein ordentlicher Gewinn aus der beschränkten Kaufkraft der angesprochenen Klientel lässt sich selbst im Biosegment herauswirtschaften, wenn nur die Kosten entsprechend gesenkt werden. Also kaufen Bio-Produzenten neuerdings in der Ukraine Hühnerfutter auf, das sich mit seinem sensationell günstigen Preis wohltuend in der Bilanz und mit seinem Dioxin weniger zuträglich in Bio-Eiern bemerkbar macht. So kommt es auch, dass die größten Anbieter von Biogemüsen ihre Produkte von spottbilligen Tagelöhnern in Marokko fertigen lassen und mit dem enormen Wasserverbrauch ihrer Plantagen die ortsansässige Bevölkerung um bezahlbares Trinkwasser bringen.<<

Gegenstandpunkt: Ideologien über Konsum und Konsument in der Marktwirtschaft – Die Veredelung des Kapitalismus zur „Wohlstandsgesellschaft“ und der Einsatz der „Konsumentenmacht“ gegen die „Überflussgesellschaft“ und ihre „Auswüchse“

20 Responses to “Über “unsere Macht an der Kasse””

  1. Hank Says:

    Ebenfalls aus GS 2-10: Ein privater Rechtsstandpunkt sucht sich seine Opfer – und wird zum Skandal

    “(…) Bei all den unerfreulichen Hervorbringungen, mit denen die politische Führung, aber auch die Geführten auf diesem Feld regelmäßig konfrontiert sind, genießt die Privatsphäre bei den meisten Mitgliedern der kapitalistischen Wettbewerbsgesellschaft einen durchaus guten Ruf.Sie gilt ihnen als hohes Gut, und das hat seinen Grund: In einer Welt, in der es fortwährend um die Durchsetzung des eigenen Interesses gegen das der anderen geht, nach Vorgaben, die sich die Akteure nicht bestellt haben, und in der selbst diejenigen, die anderen Weisungen erteilen, sich als Agenten unerbittlicher Sachzwänge verstehen, ist der Bereich des Privaten der einzige, in dem die selbst gesetzten Zwecke der Individuen zum Zug kommen. Er ist das Spielfeld für die freie Entfaltung von Persönlichkeiten und tatsächlich das einzige Reich der Freiheit im bürgerlichen Leben neben dem des Kampfes um Geld, Karriere und Erfolg, den das konkurrierende Privateigentum in den kapitalistischen Gesellschaften tagtäglich veranstaltet. Dieses subjektive Reich der Freiheit verlangt seinen Bewohnern beim Blick auf das der Notwendigkeiten eine eigenartige Perspektive ab: Vom Standpunkt der Privatsphäre betrachtet, des Lebens also, das man eigentlich will und auf das es deswegen ankommen soll, sind alle wirklichen Anforderungen des Erwerbslebens, in dem allein die Mittel für die Ausstattung und Sicherung privater Vorhaben beschafft werden können, nichts anderes als von vornherein zu akzeptierende Bedingungen für die Unabhängigkeit der privaten Lebensgestaltung; weshalb sich den privaten Subjekten, die einfach nur ihre selbstgesetzten Zwecke verfolgen wollen, ihre Subsumtion unter ihre tatsächliche Funktion im kapitalistischen Wirtschaftsleben affirmativ auf den Kopf gestellt darbietet. Der Erfolg eigener Pläne und schon die bloße Grundausstattung für die Verfogung privater Ziele ist einfach nicht zu haben ohnen nützliches Mitmachen in den kapitalistischen Einrichtungen des privaten oder öffentlichen Dienstes am Eigentum, in denen gewöhnliche Menschen ihre Einkommen erzielen; und nicht ohne die Einordnung in die rechtsförmigen oder moralischen Sitten und Gebräuche der Konkurrenz, die in ihnen herrschen. Das ist auch schon das erste, grundlegende Moment des Sittlichen, das dem Privatleben als einer eigenen und vom kapitalistischen Berufsleben getrennten Sphäre innewohnt, noch bevor die Beteiligten Gelegenheit haben, sich die ersten idelistischen Fehleinschätzungen über die Umstände ihres persönlichen Glücksstrebens zu leisten: Die Unterwerfung unter die fremden Berechnungen von Geschäft und Beruf ist die Bedingung jeder privaten Lebensplanung; die steht dem bürgerlichen Individuum dann völlig frei. Man darf nicht nur: man soll sich berechtigt und herausgefordert wissen, die gesellschaftlichen Verhältnisse als Stoff und klug zu berücksichtigende Begleitumstände einer selbstbestimmten Lebensführung zu handhaben, auch wenn man im wirklichen Leben die Notwendigkeiten des Gelderwerbs und damit die Folgen des tatsächlich bestehenden, umgekehrten Abhängigkeitsverhältnisses nie los wird und das bürgerliche Leben in freier Selbstbestimmung objektiv den Tatbestand der Lebenslüge erfüllt.“ (…) (S. 56ff)

  2. kauzi Says:

    Es wäre schön wenn der Kapitalismus so perfide eingerichtet ist, dass alle Menschen in Lohnarbeit genau das bekommen würden, was sie zur Reproduktion brauchen, wie im ersten, von dir zitierten, Abschnitt behauptet wird.
    Das Problem ist doch viel eher, dass der Widerspruch zwischen Konsumbudgets und Löhnen zu Lasten der ersteren gelöst wird und die neuen, alten Alternativen wie die Balkonreise Bedürfnisse schlechter oder gar nicht befriedigen.

    Der erste Gedanke der mir beim Lesen des Artikels kam ist, dass Verzicht als Konsumhaltung mit sinkenden Löhnen in Deutschland zusammenzubringen ist: Ausdruck sinkendem Lebensstandards als Krisenideologie. Der Verzicht auf die Flugreise, die sich die Familie ohnehin nicht leisten kann, wird zur ökologischen Heldentat.

    Der GSP hat ein offensichtliches Problem mit Luxus.
    Dass mit steigendem Vermögen, der tatsächlichen! Verfügungsmacht über Waren und Dienstleistungen auch spezielle Bedürfnisse befriedigt werden können ist überhaupt kein Skandal, der mit Obdachlosigkeit in Verbindung gebracht werden kann.
    Ich finde den ganzen Artikel zu ökonomistisch und allgemein; konkrete Waren haben noch andere Eigenschaften/„Eigenschaften“ als Tauschwert und Gebrauchswert.
    Interessant ist doch gerade dass ein gutes Gewissen mitgekauft werden kann. Der GSP hätte es wohl gerne dass Ideologie nur
    Trugbild und Einbildung ist, die mit der richtigen Portion materialistischer Kritik verschwindet.

  3. pro_kommunismus Says:

    “Es wäre schön wenn der Kapitalismus so perfide eingerichtet ist, dass alle Menschen in Lohnarbeit genau das bekommen würden, was sie zur Reproduktion brauchen, wie im ersten, von dir zitierten, Abschnitt behauptet wird.”

    SOWAS WIRD IM ARTIKEL NICHT BEHAUPTET, WIE KOMMST DU DARAUF? ES GEHT DARUM, DASS DIE KAPITALISTEN FÜR JEDEN GELDBEUTEL EIN (QUALITATIV ABGESTUFTES) ANGEBOT HABEN, UM NOCH DIE ZAHLUNGSKRAFT DES LETZTEN HARTZERS AUSNUTZEN ZU KÖNNEN.

    Das Problem ist doch viel eher, dass der Widerspruch zwischen Konsumbudgets und Löhnen zu Lasten der ersteren gelöst wird und die neuen, alten Alternativen wie die Balkonreise Bedürfnisse schlechter oder gar nicht befriedigen.

    UNGEFÄHR DAS BEHAUPTET DER ARTIKEL AUCH.

    Dass mit steigendem Vermögen, der tatsächlichen! Verfügungsmacht über Waren und Dienstleistungen auch spezielle Bedürfnisse befriedigt werden können ist überhaupt kein Skandal, der mit Obdachlosigkeit in Verbindung gebracht werden kann.

    WIE BITTE??? WORAUF BEZIEHST DU DICH EIGENTLICH? WER REDET DENN VON OBDACHLOSIGKEIT? ES GEHT UM BESSERVERDIENENDE LEUTE, DIE SICH BIO-ESSEN LEISTEN KÖNNEN.

    ICH ERKENNE ÜBERHAUPT IN DEINEM KOMMENTAR DEN ARTIKEL NICHT WIRKLICH WIEDER, KEINE AHNUNG, WAS DU DA ALLES RAUSGELESEN HAST UND WARUM.

  4. classless Says:

    [bitte keine Großbuchstaben verwenden, wenn’s geht – das ist wie Angeschrienwerden…]

  5. lasterfahrer Says:

    pro_kommunismus: als wenn die kapitalisten irgendwas ausnutzen wollen? wenn ich ein laden aufmachen der alles ziemlich billig verkauft, dann doch nur weil die leute, die dann da kaufen: entweder sparen wollen, geizig sind oder sich nicht mehr leisten können. mach ich eine luxus frittenbude in einem armen stadteil auf kann ich womöglich ziemlich bald den laden wieder einpacken und habe selber nix mehr wovon ich mir was kaufen kann.

    bei dir klingt das so als wuerden die kapitalisten sich das irgendwo zusammen ausgedacht haben um die armen werktätigen aller einkommensstufen ihr geld abzunehmen. vermutlich haben die das sich dann mit ärzten zusammen ausgedacht um dann noch das richtige bedürfniss nach bio-produkten zu produzieren. die anderen menschen werden dann durch irgendwas mindcontrolled das sie auchnoch den letzten fertig-mikrowellenfrass kaufen wollen.

    jetzt wo ich das schreibe find ich das ganze eigentlich ein ganz gutes modell. zumindestens wäre eine lösung ganz einfach danach.

    schaffen eventuell menschen eine version ihrer welt nach der einfachheit der lösung jener?

  6. Aktionskletterer Says:

    Ich finde das stimmt einfach nicht. Fernsehen ist äußerst anstrengend. Selbst wenn ich es mit voller Aufmerksamkeit tue muss ich meistens den Clip mehrfach abspielen, oft sogar pausieren oder Ausschnitte wiederholen um alles mitzubekommen.

    Und die Digitalisierung der Nahrungskette ist eine Sache der politischen Willensbildung. Technisch ist es kein Problem mit dem Kassenzettel am Internet über den Satelliten auf den Acker runterzugucken wo die Feldfrucht gewachsen ist die dann in welchem Umwandlungszustand auch immer als Essen gehandelt wird. Die Dokumentation der Produktionswege ist allerdings keine Frage der Marktanteile sondern der Marktregulierung. Geschäftsmodelle wie Dumping oder Discount wären dafür auf einmal mit völlig anderen informationstheoretischen Voraussetzungen konfrontiert. Vielleicht ein ergiebiges Thema für Piraten die mit direkter Demokratie experimentieren wollen.

  7. Aktionskletterer Says:

    @lasterfahrer – mach ich eine luxus frittenbude in einem armen stadteil auf kann ich womöglich ziemlich bald den laden wieder einpacken und habe selber nix mehr wovon ich mir was kaufen kann.

    Nein. Dann hast Du eine Bank die Dir das finanziert weil sie in dem gesamten Umfeld insgesamt so viel investiert, dass sie es sich leisten kann darauf zu spekulieren dass nachher die Kaufkraft da ist die alles wieder einspielt – oder sie tut nur so und verbrennt dort anderswo auf diese Weise erzielte Vermögen etwa um unliebsame Widersacher aus dem Umfeld zu verdrängen, und Dir nachher zu erzählen dass Dein Laden eine suboptimale Hypothek ist.

  8. steinkauz Says:

    Liebes pro kommunismus,

    Es tut mir leid dass ich dein persönliches Zentralkomitee kritisiert habe.
    (Oder ist die konsequente Großschreibung der Kommunismus der Buchstaben?)

    „ES GEHT DARUM, DASS DIE KAPITALISTEN FÜR JEDEN GELDBEUTEL EIN (QUALITATIV ABGESTUFTES) ANGEBOT HABEN, UM NOCH DIE ZAHLUNGSKRAFT DES LETZTEN HARTZERS AUSNUTZEN ZU KÖNNEN.“

    Ich habe immer noch nicht verstanden wo da der Punkt ist. Das wäre doch nichts Schlimmes.
    Es ist aber falsch gedacht, eine Ware, die qualitativ schlechter oder nur Ersatz ist, ist doch nicht das gleiche Angebot.
    Um bei den Beispielen des Artikels zu bleiben ist „Urlaub“ auf dem Balkon keiner.
    Oder noch eins: Ein Abend vor dem Fernseher ist nicht das Gleiche wie die Berlinale.
    Genau das stört mich im Artikel, es ist alles nur abgeleitet, es wird überhaupt nicht klar, was die Notwendigkeit von Wagneraufführungen ist, wenn mich eine ausgeliehene DVD genau so ablenken, zerstreuen oder unterhalten kann.
    Das meine ich wenn ich die Argumentation „ökonomistisch“ bezeichne.

    Und das mit der Obdachlosigkeit bezog sich auf:
    „Elementare Bedürfnisse wie das nach Wohnraum bleiben auf der Strecke, wo das Geld fehlt, und abwegigste Bedürfnisse wie das nach Genitalschmuck oder einem handgefertigten Maserati kommen zum Zug, sofern sie bei Kasse sind.“

    Sorry ich sehe jetzt auch ein, dass mein Kommentar gar nichts mit dem Artikel zu tun haben konnte.
    Der Satz macht einfach keinen Sinn.

  9. classless Says:

    “abwegigste Bedürfnisse wie das nach Genitalschmuck”

    Das fand ich auch vielsagend – mir ging’s wie meistens vor allem um das, was ich zitiert habe.

  10. pro_kommunismus Says:

    Zum Thema “ausnutzen”: Es geht nicht um eine Verschwörung der Kapitalisten, sondern um das Interesse, den Inhalt des Geldbeutels der Leute auf sich zu ziehen (das ist der Inhalt von “ausnutzen”) und die daraus abgeleitete differenzierte Angebotspalette (das ist der Inhalt von “JEDES zahlungsfähige Bedürfnis ausnutzen”). Zu letzerem: Warum gibt es zu jedem Produkt eine Unzahl an Sparvarianten (und auch Luxusvarianten)? Warum gibt es neben der durchaus tauglichen Stereoanlage für 1000 € auch eine Plaste-Kompaktanlage für 50 €? In erster Linie nicht, weil da Leute Lust auf schlechten Sound haben, sondern weil sie sich das tauglichere Produkt schlicht nicht leisten können. Um trotzdem an deren Geld zu kommen, muss man dann eben auch eine 50€-Variante verticken. Die soll aber auch noch Profit abwerfen, also ist sie entprechend billig aus Plasteschrott zusammengeschraubt.

    Zum Kritiker des ZK:

    Dass mir das ZK ganz allein (“persönlich”) gehört, habe ich auch nocht nicht gewusst. Aber schön, so ein ZK ganz für sich zu haben. Ich glaube, du bist so auf Autoritäten gepolt, dass du dir einfach nicht vorstellen kannst, dass Autorität für Leute wie mich belanglos ist, weshalb du dir sowas ausdenken musst.

    Was ihr alle gegen Großbuchstaben habt, keine Ahnung, sollte nur meinen Text vom Zitat abgrenzen. Bitte, bitte nicht böse sein, ich wollte doch wirklich niemanden anschreien. 😉

    “das wäre doch nichts Schlimmes”. Doch “schlimm”, weil der Urlaub auf Balkonien oder nach Plasteschrott selten dem Bedürfnis danach ensprungen ist, sondern den Grund in Armut hat.

    “Um bei den Beispielen des Artikels zu bleiben ist „Urlaub“ auf dem Balkon keiner.”

    Dass Leute Zuhause bleiben, obwohl sie gerne in den Urlaub gefahren wären, ist ein mir bekanntes Phänomen. Um das allein ging es. Dass Leute auch aus anderen Gründen ihren Balkon benutzen außer als Ersatzurlaub tut da nichts zur Sache, so dass es im Artikel unerwähnt bleibt.

    “Dass mit steigendem Vermögen, der tatsächlichen! Verfügungsmacht über Waren und Dienstleistungen auch spezielle Bedürfnisse befriedigt werden können ist überhaupt kein Skandal, der mit Obdachlosigkeit in Verbindung gebracht werden kann.”

    Doch, denn es ist sachlich betrachtet nur die andere Seite. Weil der Zugriff auf jegliche Ware am Geld hängt, alle gesellschaftliche Produktion und Konsumtion eine Frage von Kapital und Geld ist, gehört zum Luxus der Geldbesitzer eben auch die Armut der Nicht-Geldbesitzer.

    Ein entscheidender Zusatzwitz ist, dass es ohne die Armut der einen den Reichtum der anderen gar nicht gäbe. Die Reichen brauchen die Armen nämlich, weil die Armen aus Geldnot die Arbeit für die Reichen verrichten, die in Produkten mündet, die letztere zur Mehrung ihres Reichtums verkaufen. Im Kapitalismus ist Luxus für alle unmöglich, weil die Reichen dann keine Arbeiter mehr hätten. Das ist der “Skandal”. Luxus für alle wäre nur im Kommunismus kein Skandal, weil er auf der Armut der Massen beruht, sondern ein gesellschaftlicher Zweck für alle.

  11. pro_kommunismus Says:

    “pro_kommunismus: als wenn die kapitalisten irgendwas ausnutzen wollen? wenn ich ein laden aufmachen der alles ziemlich billig verkauft, dann doch nur weil die leute, die dann da kaufen: entweder sparen wollen, geizig sind oder sich nicht mehr leisten können”

    Ausnutzen ist sachlich zu verstehen, nicht moralisch. Ich nutze als Verkäufer das Bedürfnis des Käufers aus, um mich an ihm zu bereichern. Je nach Kundschaft wird da ganz nüchtern und moralinfrei kalkuliert.

  12. bla Says:

    “abwegigste Bedürfnisse wie das nach Genitalschmuck”

    Das fand ich auch vielsagend – mir ging’s wie meistens vor allem um das, was ich zitiert habe.

    Wenn es so vielsagend ist, was sagt es dir denn dann? Mit diesem Gerede in Andeutungen kann ich wenig anfangen.

  13. classless Says:

    Na, “Gerede in Andeutungen” finde ich auch vielsagend. 😉

    Anyway: Wer oder was soll denn das Maß für die Abwegigkeit eines Bedürfnisses sein?

  14. bla Says:

    Abwegig meint in diesem Zusammenhang zunächst mal, dass es im Kapitalismus überhaupt keine rationelle Unterscheidung zwischen den Bedürfnissen gibt so lange sie nur zahlungskräftig sind. Die Banalität, dass erst mal ordentliches Essen, Kleiden und Wohnen fällig sind, bevor man sich den gehobenen Bedürfnissen zuwendet, gilt in dieser Produktionsweise gerade nicht. So kommt es u.a. dazu dass Bedürfnisse – das ist die zweite Bedeutung von abwegig – die sich aus dem Standpunkt der Angeberei bürgerlicher Individuen ergeben zum Zuge kommen während es einem Großteil der Bevölkerung an adäquater Ausstattung mit dem Elementaren fehlt.

  15. classless Says:

    Also, ich weiß ja nicht – hast du schon mal gesehen, daß Leute mit ihrem Genitalschmuck angeben?

  16. bla Says:

    Vielleicht erklärst du besser mal was genau an der Aussage vielsagend ist.

  17. Cyrano Says:

    Abwegig meint in diesem Zusammenhang zunächst mal, dass es im Kapitalismus überhaupt keine rationelle Unterscheidung zwischen den Bedürfnissen gibt so lange sie nur zahlungskräftig sind.”
    @ bla: “Abwegig” mag demnach gern nen heuristischen Wert haben, und in dem Zusammenhang bedeuten, was du dem Wort zuschreibst. Der Superlativ macht aber ne Rangliste auf, “abwegigste Bedürfnisse wie das nach Genitalschmuck”, werden halt als Beispiele ausgepackt, weil die alltäglichen Absurditäten des Kapitalismus nicht mehr schocken. Bullshit. Als dürfte ich mich im Kommunismus nicht genital schmücken, wen´s mir Lustgewinn bringt.
    @Classless: “angeben” ist sicher platt, aber ne Funktion, sei es auch die sich nur einzubilden, dass davon ein privater, steuerbarer Reiz ausgeht, hat es aber schon, oder?

  18. Antianarcho Says:

    LOL, jetzt kommen wieder die Freiheitsfans und Anarchisten aus dem Loch:

    “Als dürfte ich mich im Kommunismus nicht genital schmücken, wen´s mir Lustgewinn bringt.”

    Der blanke Horror tut sich auf: GSP-Freunde wollen Genitalschmuck verbieten!!!! Kreisch, ich darf nicht mehr machen, was ich will!

    Ich mach den Horror rund: Wir haben tatsächlich schon Baupläne für Gulags für Genitalverstümmler eurer Art! Seid lieber für die bürgerliche Demokratie; hier wird einem das wenigstens nicht verboten!

  19. Cyrano Says:

    Hat sich was mit “Anarchisten”. Kritisiert wurde a) Die rein aufs Aufsehen zielende Beispielgebung durch ein bestimmtes “Bedürfniss” im Kapitalismus, und b) dessen zusätzliche Skandalisierung durch so ein lustiges Wort wie “abwegigst”. Da kommen die “GSP-Freunde” (Zitat Antianarcho) und erzählen von rein rationaler Kritik, und brauchen doch immer wieder, um ihre Kritik zu illustrieren, Bilder, die gerade auf solche Idiosynkrasien verweisen, die wahrscheinlich von der geringsten Menge des Agitationsmaterials geteilt werden. Den ganzen andern Quatsch bastelst du (Antianarcho) drumrum.

  20. Aktionskletterer Says:

    Unpersönliche sexuelle Wertungen kann der Verfasser bzw. Adressat auf sich selbst, seinen Kommunikationspartner oder auch Dritte beziehen. Diese können mit dem gesamten psychologischen Verdrängungsrepertoire von Projektion bis Denunziation spekulieren, oder vielmehr müssen das sogar wenn sie sich ein Bild machen wollen, weil sie von der Auseinandersetzung zwischen Menschen lediglich eine Verhandlung über Dinge mitbekommen.

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