Aufruf zur China-Aktion
May 16th, 2007Nein, nein, das ist nicht der Kommunismus!
Die Kommunistische Partei Chinas, die größte Partei der Welt, führt das kommunistische China, heißt es. Angesichts von “Rot-Chinas rasantem Aufstieg” fragt uns der “Spiegel”: “Funktioniert der Kommunismus doch?” Was aber hat China überhaupt mit Kommunismus zu tun? Sogar die Wikipedia weiß: “Die heutige chinesische Vorstellung von Kommunismus unterscheidet sich allerdings grundlegend von der Vorstellung von Karl Marx vor 150 Jahren.” Genau – in seiner Auffassung von Kommunismus ging es um die “wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt”; die alle Verhältnisse umwirft, “in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”; die daher angetreten ist, das Kapitalverhältnis aufzuheben und damit die Herrschaft der Ware zu überwinden; die vielmehr die Herrschaft der Bedürfnisse über die Produktion errichten will und eine freie Assoziation freier Produzenten ermöglicht. Nichts dergleichen ist in China zu beobachten.
Chinas Staatskapitalismus ist nach innen repressiv und nach außen imperialistisch.
Um den vielbestaunten Boom fortzusetzen, tritt China in Afrika als imperialistische Macht auf. In Sambia werden mit chinesischen Arbeitern die riesigen Kupfervorkommen abgebaut, ohne dass dieses “wirtschaftliche Engagement” in einem der ärmsten Länder der Welt den Bewohnern in irgendeiner Form zugute käme. Sambias wichtigster Oppositionsführer Michael Sata vertritt mittlerweile die unglaubliche Position, dass der Imperialismus der Europäer das kleinere Übel gewesen sei. Im Sudan unterstützt China das dortige islamistische Terrorregime, um sich die Ölfelder des Landes zu sichern. Diese Unterstützung geht soweit, dass China mittels seines Vetorechts im UN-Sicherheitsrat den ersten Völkermord des 21. Jahrhunderts deckte, dem in der sudanesischen Region Darfur bereits mehr als 200.000 Menschen zum Opfer fielen. Noch immer sind etwa zwei Millionen Menschen aus Darfur auf der Flucht und können von Hilfsorganisationen nicht versorgt werden.
Innenpolitisch ist China mit etwa 10.000 Hinrichtungen pro Jahr und einem System aus Arbeits- und Umerziehungslagern einer der repressivsten Staaten der Welt. Oppositionelle werden systematisch gefoltert, mit den Organen von Hingerichteten wird Handel getrieben. Ende 2006 wurden innerhalb weniger Wochen Tausende Hinrichtungen vollstreckt, um noch die ab 1.1.2007 geltenden neuen Überprüfungskriterien zu umgehen. Gleichzeitig werden sämtliche Medien streng zensiert, so dass Willkür und Korruption nicht öffentlich zur Sprache kommen können. Die Massenmorde der VR China – vom Bürgerkrieg über den “Großen Sprung nach vorn” bis zur Kulturrevolution – werden weiter vertuscht. Es gibt kein Recht auf gewerkschaftlichen oder politischen Zusammenschluss. Nicht anders als zu Zeiten Maos werden Abweichler brutal auf Linie gebracht oder umgebracht. Die chinesische Gesellschaft ist also keineswegs nach den Bedürfnissen der Menschen eingerichtet, sondern umgekehrt werden die Bedürfnisse gewaltsam dem Staat angepasst.
Der wirtschaftliche Aufschwung beruht heute wie unter Mao auf billigen, unterwürfigen Arbeitskräften. Wenngleich sich die Zahl der Armen in den letzten zwei Jahrzehnten drastisch verringert hat, sind die Arbeitsbedingungen doch weiterhin katastrophal und menschenunwürdig. Bei endlosen Arbeitstagen in gesundheitsschädlicher Umgebung spielt es keine Rolle, ob jemand für den Staat oder ein Privatunternehmen arbeitet. Versuche, Gewerkschaften zu bilden, werden brutal unterdrückt, die Aktivisten verschwinden in den Lagern. Die chinesische Arbeiterbewegung wurde in der Volksrepublik so gründlich zerschlagen wie in der Sowjetunion. Weit davon entfernt, die Wirtschaft in den Dienst der Bevölkerung zu stellen, akzeptiert die KP die chinesischen Werktätigen nur als willenlose Wertproduzenten. Insofern gibt es keine “Öffnung” oder “Liberalisierung” – der Staatskapitalismus bleibt Staatskapitalismus wie seit der Gründung der VR China.
Imperialismus, Repression und Staatskapitalismus sind kein Kommunismus! Wir wollen die Idee der allgemeinen Emanzipation nicht länger mit solchen Erscheinungen assoziiert sehen!
Wir rufen daher für Sonntag, den 27. Mai 2007, 18 Uhr zur Kundgebung vor der chinesischen Botschaft (Märkisches Ufer, Ecke Brückenstraße, Nähe S-Bahnhof Jannowitzbrücke) auf!
Zur Mobilisierung wird es zuvor am Donnerstag, dem 24. Mai um 20 Uhr eine Infoveranstaltung im Vetomat, Scharnweberstraße 35 in Friedrichshain geben. Der Freiburger Politologe Hubert Zick wird über Chinas Staatskapitalismus sprechen, die Veranstaltenden werden einen Rückblick auf die Begriffsgeschichte des Kommunismus werfen.
Banner-Links:
May 17th, 2007 at 00:33
Gute Ansage!
May 17th, 2007 at 14:43
kulla wird also zum antiimp, wenns nur gegen die konkurrenz des westens geht. gute ansage…
May 17th, 2007 at 16:12
Wenn nicht in China, wo sonst ist jener staatliche Apparat, der die “Rationalität” der bürgerlichen Produktionsweise setzt und ihr entragen kann, darzustellen und zu kritisieren. Vor allem scheint er in China aus der Tradition des Staatssozialismus heraus über seine kapitalistische Zwecksetzung hinauszuschießen. Der Staat scheint dort aus der Not eine Tugend, aus der Krise die Regel zu machen – das heißt: er begreift seine Existenz innerhalb kapitalistischer Produktionsweise nicht als Notwendigkeit, nicht als zur Not eingreifende Gewalt, sondern als allsetztende immerwährende Instanz. Staatskapitalismus sans phrase.
May 20th, 2007 at 23:10
ich erlaube mir den einwurf, dass ich den banner fuer fragwuerdig halte. das waere ungefaehr so, wenn man jelzins politik mit einem durchgestrichenen lenin kritisieren wuerde.
May 21st, 2007 at 10:51
Blöder Einwurf – die Kritik besteht nicht aus dem durchgestrichenen Mao und Jelzin war gerade der, der mit Lenin gebrochen hatte. Die KPCh steht aber immer noch in der Tradition der KPCh.
May 21st, 2007 at 15:48
wie, besteht nicht aus dem durchgestrichenen mao? was soll das sonst sein? dass die derzeitige chin. politik vll. vom spiegel in maos tradition gesehen wird, heisst noch lange nicht, dass es so ist. bloed hin oder hier.
May 21st, 2007 at 16:04
Die Kritik besteht mindestens aus dem ganzen Aufruf und letztlich auch in dem, was sie auf der Veranstaltung sagen werden, oder? Das Webbanner ist doch keine Kritik, das ist doch nur ein Eye-Catcher.
Jelzin hat absichtlich und gründlich mit der sowjetischen Politik gebrochen und wäre mit Lenin kaum noch in Verbidnung zu bringen. Die heutige chinesische KP stellt sich aber ohne Wenn und Aber in ihre ideologische Tradition, vertuscht die begangenen Verbrechen und setzt weiterhin auf staatskapitalistische Zurichtung. Das lässt sich m.E. durchaus mit Mao assoziieren.
May 21st, 2007 at 20:38
die kritik an der derzeitigen chin. politik halte ich fuer absolut legitim. allerdings hat das, was kritisiert werden soll, nicht mehr allzuviel mit mao und seinem langen marsch zu tun. auch wenn sich die kp natuerlich aus taktischen gruenden auf mao beruft. das allerdings auch nicht theoretisch, sondern lediglich symbolhaft. in den 70 und 80er jahren gab es einen bruch der kpch mit mao und der fuehrungsclique.
das banner impliziert allerdings eine kritik an der person mao, welcher in manchen kreisen vermutlich auch nicht ganz unberechtigt als komm. klassiker gehandelt wird, und der betrachter assoziert etwas anderes, als es eben bedeuten soll.
ich wollte es auch nur ganz vorsichtig von der seite einwerfen, kein grund, beleidigt zu sein. 🙂
May 21st, 2007 at 23:12
Ja, bleibt mal locker. Das Banner ist aus der Verlegenheit entstanden, das Thema anders kaum zu bildhaft zu fassen zu kriegen. Letztlich habt ihr aber beide Recht – es gab einen Bruch mit Mao und es gab keinen Bruch mit Mao.
Offiziell galt ab den 70ern die Phase der radikalen gesellschaftlichen Eingriffe als vorüber – insofern gab es eine halbe Distanzierung.
Praktisch baut aber der gesamte Take-off seitdem auf den vorher zwangsmodernisierten und autoritär zugerichteten Subjekten auf, auf den Überlebenden der Säuberungen und Linienkampagnen – insofern steht China auch heute mit seinem hauptsächlichen Standortvorteil massenhafter autoritätshöriger Arbeiter eindeutig in der Tradition dessen, was von Mao begonnen wurde.
Aber dazu werden wir am Donnerstag noch mehr erfahren und überhaupt würde ich sagen, daß es zunächst mal daru gehen soll, daß über China gesprochen wird. Und über den Kommunismus. Wir können ja nicht vorher schon alles beurteilt und beschlossen haben.
May 22nd, 2007 at 15:07
Erstmal eine Interessefrage: Wer ist denn eigtl. das “wir” in dem Aufruf?
Dann eine Verständnisfrage: Ich grübel gerade ein wenig über den Satz, der sagen will, Kommunismus sei die “Herrschaft der Bedürfnisse über die Produktion”.
Nach dem dialektischen Materialismus sind schließlich alle Bedürfnisse produziert, d.h. mit dem Reich der Möglichkeiten wächst das Reich der Notwendigkeit. Das Reich der Möglichkeiten jedoch ist abhängig von der Produktion, insofern seh’ ich nicht, wie sich eine Dialektik aus Produktion und Bedürfnissen aufheben lassen sollte. Das ist kein Einspruch dagegen, dass nach dem Primat der individuellen Bedürfnisse und nicht zur Kapitalakkumulation produziert werden sollte, allerdings krieg ich’s trotzdem nicht ganz auf die Reihe, warum man von “Herrschaft der Bedürfnisse” sprechen muss. Oder ist das der Punkt, an dem sich der marxsche Materialismus notwendig selbst abschaffen muss? (Ich versteh’s wirklich nicht.) Vielleicht täusch’ ich mich ja, aber so wie das in dem Aufruf anklingt, riecht das irgendwie nach einem ontologischen Bedürfnissbegriff und da wird’s dann gruselig.
Am Rande sei noch die Bemerkung erlaubt, dass nach Marx in der kommenden freien Gesellschaft die “Arbeit” das erste Bedrüfnis des “werdenden Menschen” sein soll. (Auch wenn man das selbstverständlich nicht mit Lohnarbeit verwechseln sollte, sondern vielleicht besser als “Tätigkeit” lesen muss. )
May 22nd, 2007 at 15:28
Das “wir” bezieht sich auf die kleine Gruppe von Privatpersonen, die die ganze Aktion veranstaltet.
Daß die Bedürfnisse “herrschen” ist in der Tat eine unglückliche Formel. “Primat” finde ich allerdings auch nicht überzeugender. Knifflig.
Jegliche Aussagen darüber, worin die Bedürfnisse von anderen Leuten irgendwann bestehen sollen, würde ich in jedem Fall nicht treffen wollen.
May 24th, 2007 at 16:41
[…] classless.org […]
May 24th, 2007 at 21:11
Hoffentlich wird China bald Weltmacht, damit diesem Anti-Sinaismus, der strukturell dem Antisemitismus sehr ähnelt, endlich ein Ende gemacht wird!
May 26th, 2007 at 13:36
@ Leo
Ich glaube du verwechselst zwei Ebenen: Im Reich der Notwendigkeit (Produktionsprozeß) geht es darum, die menschlichen Bedürnisse zu befriedigen, im darauf aufbauenden Reich der Freiheit ist Tätigkeit keine not-wendige mehr und daher ihr Zweck nicht von der Not, sondern frei gesetzt. Das Problem liegt aber in der Kritik des Gothaer Programms, in der diesen beide Reiche als “erste Phase” und “höhere Phase” historisch angeordnet werden, was Quatsch ist: Klüger steht’s im Kaptial Bd. 3
”Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen matieriellen Produktion […] Jenseits desselben [des Reich der Notwendigkeit, H.G.] beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis erblühen kann.” (MEW 25, S. 828)
Fragmentarisches:
Sicher gibt es keine eigentlichen Bedürfnisse. Marx geht von einem nicht antizipierbaren Potential von Bedürfnisses (Kultur als uneendliche Ausdifferenzierung, Sublimierung) aus. Und die Gesellschaft muss versuchen, der Entfaltung des Individuums Rechnung zu tragen:
””Die universal entwickelten Individuen […] sind kein Produkt der Natur, sondern der Geschichte. Der Grad und die Universalität der Entwicklung der Vermögen, worin diese Individualtität möglich wird, setzt eben die Produktion auf der Basis der Tauschwerte voraus, die mit der Allgemeinheit der Entfremdung des Individuums von sich und von andren, aber auch die Allgemeinheit und Allseitigkeit seiner Beziehungen und Fähigkeiten erst produzieren.” (MEW 42, S. 95)
”In fact aber, wenn die bornierte bürgerliche Form abgestreift wird, was ist der Reichtum anders, als die im universellen Austausch erzeugte Universalität der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse, Produktivkräfte etc. der Individuen? Die volle Entwicklung der menschlichen Herrschaft über die Naturkräfte, die der sog. Natur sowohl wie seiner eigenen Natur? Das absolute Herausarbeiten seiner schöpferischen Anlagen […]? (MEW 42, S. 395f.)
May 28th, 2007 at 00:13
[…] Wadi-Blog und Planet Hop machen auf eine Kundgebung vor der chinesischen Botschaft aufmerksam, die sich gegen das chinesische Regime richtet. So weit, […]
July 21st, 2007 at 00:26
Nur so zur Information für diejenigen, die es nicht wissen sollten:
Die Chinesen selbst und mit ihr die chinesische Führung bezeichnen China keineswegs als einen sozialistischen oder gar kommunistischen Staat.
Sie sagen -in etwa- sie sind gerade dabei die materielle Basis für den Beginn des Aufbaus des Sozialismus zu schaffen. Sie sind realistisch genug um nicht zu behaupten sie hätten den Kommunismus erreicht…..
August 23rd, 2007 at 09:33
[…] wenn er’s doch ist? Das Wadi-Blog und Planet Hop machen auf eine Kundgebung vor der chinesischen Botschaft aufmerksam, die sich gegen das chinesische Regime richtet. So weit, […]
June 19th, 2008 at 19:33
[…] da bekanntlich Kommunisten so gerne Menschen unterdrücken. Nun mal gänzlich davon abgesehen, dass in der Volksrepublik China kein Kommunismus herrscht, negiert Zirkumflex komplett die Gefahr islamischer Anschläge. Um dies dem Leser plausibel zu […]
February 21st, 2009 at 23:50
[…] eine demokratische Abstimmung – höchstpolitisch. Denn jeder weiß: Weltraumkommunismus ist nicht nein nein nicht der Kommunismus, sondern […]
September 14th, 2009 at 15:37
[…] nein, nein, das ist nicht der Kommunismus China ist alles andere, als kommunistisch. Die kommunistische Geschichte Chinas, wie die Geschichte des Kommunismus generell, muss aufgearbeitet werden, wenn es eine kommunistische Zukunft geben soll. „Die bergende Arbeit an der Geschichte ist … eine Arbeit der Trauer“ (Bini Adamczak: gestern morgen. Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft.) […]